Freitag, 21. Dezember 2012

Heute sind alle Flaggen . . .

. . . auf Halbmast. Um 9:30 wurde in 28 Bundesstaaten eine Schweigeminute eingehalten.

Heute vor einer Woche - um 9:30 - betrat Adam Lanza die Sandy Hook Grundschule in Newtown im Bundesstaat Connecticut und erschoß 20 Kinder und sechs Erwachsene, bevor er sein eigenes, 20-jähriges Leben beendete.

Ich konnte nicht anders: ich hab geheult, als ich von diesem Amoklauf erfuhr.

Was mich zutiefst beunruhigt sind nicht nur Gewalttaten wie solche, die leider allzu häufig das Licht der Medienaufmerksamkeit erreichen. (Z.B. schoß am gleichen Tag einer in einem Einkaufszentrum in Portland im Bundesstaat Oregon um sich.)
Es ist die zugrundeliegende - mehr oder wenige bewußte - Geisteshaltung, die solche Ausbrüche von Zerstörung menschlichen Lebens auf so breiter Ebene ermöglicht, die mich traurig und wütend zugleich stimmt.

Ich rede von der Verherrlichung eines archaischen Verständnisses von dem, was "Mann-Sein" bedeutet.
Diesem Verständnis nach ist ein "richtiger Mann" einer, der tatkräftig und mutig seine hilflose, heulende Frau und die vor lauter Angst am Leibe zitternden Kinder vor Bösewichtern aller Art mit der Waffe heldenhaft verteidigt.

Das ist das Thema unzähliger, älterer und neuerer US Spielfilme. Wenn der Sohnemann dem Vater gegenüber erklärt, "you are my hero, dad," weiß Daddy, dass er seine Rolle erfüllt hat.
Und der Fernseher ist allgegenwärtig. Amerikaner verbringen weitaus mehr Zeit vor der Glotze als Europäer und lassen sich von ihren Bilder manipulieren.

"Not man enough? Buy a gun!" So der Titel eines Artikels bei CNN. Der Schreiber dieses Artikels, Paul Waldman, spricht mir aus der Seele.

Das Bedürfnis, sich "als Mann" zu beweisen, ist allgegenwärtig.
Und der "richtige Mann" hat natürlich mindestens eine Knarre.

Nach Paul Waldman ist die Anzahl von Menschen, die eine Waffe zu Hause im Schrank haben, von 54% im Jahre 1977 nun auf 32% gesunken. Allerdings erzielte kürzlich der Verkauf von Knarren eine Rekordhöhe. Im Klartext: Wer schon im Besitz eines Schußeisens ist, legt sich ein zweites, drittes oder gar ein viertes und fünftes zu. Auf hundert Einwohner kommen heute 88,8 Waffen! Waffenbesitzer hat die Angst gepackt, dass Obama nun Ernst macht und ihnen ihr innig geliebtes "Spielzeug" und Insignium des "Mann-Seins" aus den Händen nimmt.

Es bleibt allerdings fraglich, ob sich die jetzige Regierung gegen ein so tief verwurzeltes Selbstbild des männlichen Durchschnittsamerikaners durchsetzen kann.

Hier ein paar Beobachtungen auf lokaler Ebene:

  • Mein Freund Joel wird auf seinem Arbeitsplatz gehänselt, weil er - als Mann - mit Waffen nichts am Hut hat. O-Ton Joel: "They think I am not a real man!"
  • In der Deming Headlight stand vor ein paar Tagen ein Leserbrief, in dem der Schreiber doch allen Ernstes behauptete, dass die Metzelei in der Sandy Hook Grundschule nicht passiert wäre, wären die Lehrer/innen mit dem Umgang von Waffen ausgebildet!
    (Man stelle sich vor: Wer Lehrer/in werden will, muß ein paar Kurse am Schießplatz belegen und einen Test im Scharfschießen bestehen.) 
  • Viele Stoppschilder und andere Straßenschilder auf einsamen Bundesstraßen weisen Einschußlöcher auf. 
  • Wer während der Jagdzeit wandern gehen will, ist angehalten, eine grellfarbige Weste zu tragen, um nicht von kurzsichtigen, schießwütigen Jägern abgeknallt zu werden. Wenn man mit seinem Vierbeiner unterwegs sein will, zieht man dem am besten ein Hundemäntelchen in ähnlich greller Farbe über - im Handel erhältlich.) 
  • Meiner Freundin Sherry wurde vor ca. zwei Wochen da, wo wir letzten Winter regelmäßig unsere Hunde ausführten (siehe Post vom 4. März dieses Jahres) ihr kostbarer Falke, den sie jahrelang abgerichtet hatte, abgeschossen. Der 20-Jährige, der mit seinem Gewehr über dem Falken stehend erwischt wurde, erklärte der Polizei gegenüber, dass er eigentlich in dieses Stück Wüste gekommen war, um seinen alten und kranken Hund zu erschiessen!!
  • Letzes Jahr wurde - rechtzeitig zu Beginn der Jagdzeit - in der Las Cruces Zeitung ein Foto veröffentlicht, das ein 14-jähriges Mädchen nebst einem von ihr erlegten Rehbock zeigte.
    (Anmerkung: Mir ist es egal, ob es sich hier um ein Mädchen oder um einen Jungen handelt. Und mir ist klar, dass eine gewisse Anzahl von Tieren erlegt werden müssen. Ich frage mich aber, warum man das nicht Leuten überläßt, die das beruflich machen. Und was macht das Töten eines herrlichen Tieres, das aller Wahrscheinlichkeit nach keinelei Chance auf Entkommen hatte, mit der Seele eines Kindes?) 
  • Meine Freundin Inez erhielt letztes Jahr von ihrem Mann einen Revolver - zu Weihnachten!
Apropos Weihnachten: Die Großmarktkette Walmart bietet alle Jahre wieder Gewehre zu heruntergesetzten Preisen als Weihnachtsgeschenk für den Sohnemann an. Meinem Mann zufolge (ich hab ja von Knarren nicht die geringste Ahnung) kann man mit diesen "air rifles" keinen ernsthaften Schaden anrichten, aber es geht ums Prinzip: Schließlich übt sich früh, wer ein Meister werden will! 

Übrigens inserierte ein Sportgeschäft in Las Cruces kürzlich ein Gewehr in Rosa - für die Dame, die dann die echten Kerle auf der Jagd begleiten will.


Oben das Inserat in der Deming Headlight für eine Gewehr- und Bastel-Show, die Ende November in Silver City - eine Stunde nördlich von hier - stattfand.
Man beachte den Satz "Gute Gelegenheit für die Weihnachtseinkäufe!"

Ich wünsche meinen Lesern und Leserinnen ein friedliches Weihnachtsfest! 


Freitag, 19. Oktober 2012

Albuquerque: VA Hospital

Vor einer Woche begleitete ich meinen Mann wieder einmal zu einem Arzttermin im VA Hospital in Albuquerque.

VA steht für "Veterans  Affairs," und Hospital muß ich Euch ja nicht übersetzen. In diesen Krankenhäusern werden also nur Soldaten und Soldatinnen (ehemalige und derzeitige) und deren Angehörige behandelt.
Jeder Bundesstaat hat ein eigenes VA hospital und mehrere kleinere VA clinics. Das VA hospital für New Mexico Veterans ist in Albuquerque.

Die einfache Fahrt von Deming dauert gut viereinhalb Stunden und ist äußerst langweilig. Es geht auf der I 25 schnurgerade nach Norden durch die Hochwüste und vorbei an von Armut gebeutelten Ortschaften wie Truth or Consequences (der Ort heißt wirklich so!) und Socorro. Wieder einmal den ganzen Tag auf der Autobahn zu verbringen, entsprach nicht gerade meiner Vorstellung von einem schönen Tag. Da mein Mann allerdings nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr Auto fahren kann, mußte ich mit.

Da die Zeit bei unserer Ankunft knapp war, ließ ich meinen Mann vor dem Haupteingang aussteigen und suchte dann nach einem Parkplatz, der - an einem Freitag Nachmittag - schnell gefunden war. Während ich auf den Eingang zulief, entschied ich mich, diesmal nicht das Gebäude zu betreten, sondern mich einfach draußen auf eine Bank zu setzen und für eine Weile dem Treiben zuzusehen. Lange hielt ich es allerdings nicht aus.

Die Atmosphäre innerhalb und außerhalb des Krankenhauses berührt mich jedes mal auf eine äußerst unangenehme Weise. Dies hier ist ein Ort, an dem nicht nur die menschlichen Kosten des Krieges deutlich werden, sondern auch der Versuch, eben jene Kosten zu ignorieren.

Auf den Parkplätzen schon fielen mir bei früheren Besuchen die vielen speziellen, den Fahrer als stolzen Kriegsveteran auszeichnenden Nummernschilder auf. Auch mancher, der einem im Rollstuhl entgegenkommt, hat eine kleine amerikanische Flagge an seinem Gefährt befestigt, stolz, seinem Land gedient zu haben, selbst wenn es ihn zum Krüppel machte. Rechts vorm Haupteingang steht ein meterhohes Standbild, einen Soldaten darstellend, der einen verwundeten Kameraden auf seinen Schultern aus einer imaginären Gefahrenzone trägt.

Ich erinnere mich, dass sich die Darstellung und Betonung von Heldentum und rühmlichen Taten auch auf die Gänge und Wartehallen innerhalb des Gebäudes fortsetzt: Tafeln mit den Namen Gefallener, eingerahmte Plakate und Zeitungsausschnitte über frühere Siege, vor allem während des Zweiten Weltkrieges, Fotos von Generälen in schnittigen Uniformen.

Manche Plakate weisen auf weitaus weniger Rühmliches hin: Soldatinnen werden ermuntert, Vergewaltigungen zu melden und sich kostenfrei psychisch behandeln zu lassen.

Die Haupteingangshalle quillt über von Menschen aller Hautfarben und Altersgruppen. In der Mitte dieser großen Halle sind die meisten Stuhlreihen besetzt. Ein Fernseher mit den üblichen Seifenopern und Nachrichtensendungen hält die Aufmerksamkeit der Wartenden fest, die lieber nicht nachdenken wollen. Nur diejenigen allerdings, die nahe am Fernseher sitzen, können die Programme auch akustisch verfolgen. Ansonsten ist das Stimmengewirr der sich vorbeischiebenden Menge zu laut. Obendrein beschallt die Coffee Bar nebenan mit Bässen die ganze Nachbarschaft.

Ich erinnere mich, einmal einem alten, gut gekleideten Navajo gegenüber gesessen zu haben, dessen Kappe ihn als "Navajo Code Talker" auswies. Navajos sind sehr stolz darauf, mit den auf ihrer Sprache basierenden Geheimnachrichten, die die Japaner nicht entschlüsseln konnten, zum siegreichen Ausgang des Kampfes um Iwo Jima während des zweiten Weltkrieges beigetragen zu haben. Ich war irgendwie berührt gewesen und hatte mir überlegt, ihn anzusprechen, unterließ es aber aus Gründen, die ich mir nicht ganz klar gemacht habe.

Die Mehrheit der Patienten sieht heruntergekommen aus, körperlich, seelisch und materiell. Viele humpeln in abgerissenen Klamotten und mit dicken, über die Jeans quellenden Bäuchen die Gänge entlang. Billige T-Shirts, Jeans, Turnschuhe mit weißen Socken bilden die Einheitstracht. Auch die schlaffen Oberarme der Älteren, derer, die in Vietnam oder in Korea waren, sind oft mit Tatoos "dekoriert." Viele riechen nach Alkohol und Zigaretten. Viele schieben Sauerstoffflaschen vor sich her.

Der Anblick der jungen beinamputierten Männer, die vom Pfleger durch die Gänge gerollt werden, tut weh. Man sieht ihnen den körperlichen und seelischen Schmerz an.

Das Personal ist freundlich und lächelt viel. Die Ärzte und Ärztinnen bemühen sich, so gut es geht. (Es gibt nach jedem Patientenbesuch so viel Paperkram! Und denjenigen, die in den kleinen Büros für die Eingabe der Unmenge an Daten zuständig und davon chronisch überfordert sind, unterlaufen eben ab und zu mal  Fehler.)

Diejenigen, die unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, bekommen eine Fahrtkostenerstattung. Die Wartehalle hier wird mit denen geteilt, die auf ihre Medikamente warten.  Auf einer großen Leuchttafel erscheinen die Namen der Medikamentenempfänger nebst der kalkulierten Wartezeit, z. B. "Gonzalez: 1 h 30 min."

Dieses Krankenhaus ist ständig voll. Man erhält auf Monate im Voraus einen Termin. Wer den nicht einhalten kann, muß wieder monatelang auf einen neuen Termin warten.

Kriegsveteranen können sich natürlich auch von "normalen" Ärzten und in herkömmlichen Krankenhäusern behandeln lassen. Allerdings ist die Behandlung in einem VA hospital oder in einer VA clinic kostenfrei. Und wenn man einen Antrag auf VA benefits stellen will (also auf finanzielle Entschädigung wegen kriegsbedingten Behinderungen), braucht man VA-Dokumente.

Auf der Rückfahrt fiel mir ein junger Mann aus Deming ein, Juan Dominguez, der vom Krieg in Afghanistan mit drei Gliedmaßen weniger nach Hause kam: Beide Beine und ein Arm wurde ihm während des Kontakts mit einer Landmine abgerissen. Er erhielt ein "hero's welcome:"  Auf der Autobahn schon wurde er von Freunden und patriotischen Gruppen in Empfang genommen und auf Motorrädern begleitet. Dann gab es ein Picknick im Park, mit kostenlosen Würstchen und Reden.

Die ganze Geschichte hat natürlich eine doppelte Botschaft: a) Toll, was du geleistet hast! Du hast dich heldenhaft geschlagen. b) Verhalte dich weiterhin wie ein Held! Wir wollen von deinen seelischen Wunden nichts hören!

So mancher Heimkehrer schafft die Integrierung in den Alltag nicht. Der Wechsel vom Kriegshorror zurück zu einer Gesellschaft daheim, die "negativen" Gefühlen wenig Platz einräumt, die positives Denken und Optimismus überbetont, und in der man gefälligst "fine" zu sein hat, übersteigt die Kräfte. Der Film  "The Dry Land" z.B. behandelt dieses Thema auf sensible Weise.

Juan Dominguez ist aus Deming weg, zog nach Kalifornien, erhielt kürzlich dort ein "Smart House" und machte Schlagzeilen. Hier ist der Link zu einer typischen Berichterstattung:
http://abcnews.go.com/US/triple-amputee-veteran-receives-smart-home/story?id=17214792

Man beachte die Rede von "sacrifice," "re-payment," "for our country" und die Aufforderung am Ende des Videoclips, für die noch in Afghanistan Stationierten zu beten!

Ich kann nicht umhin; es geht mir auf den Geist!












Freitag, 28. September 2012

Da beißt die Maus dem Schwanz . . .

. . .  keinen Faden ab.

Welch köstliche Redewendung übrigens! Sie ins Englische zu übersetzen würde nichts weiter als fragende Blicke hervorrufen!

Aber zurück zur Maus:
Da beißt eben jene dem Schwanz keinen Faden ab, aber ICH brauche Regen! Genauso wie mein Rosenstock vor der Tür. Ohne Wasser von oben oder - seien wir mal nicht so anspruchsvoll -  ohne eine leichte Berieselung von oben dann und wann gehen wir ein wie die sprichwörtliche Primel.

Und heute regnet es! Den ganzen herrlichen Tag.

Beim Aufwachen schon war der Himmel in einem vielversprechenden dunkelgrau. Wenig später setzte jener wunderbare leichte Dauerregen ein, den ich hier, im südlichen New Mexico, leider nur ein oder zweimal in Jahr genießen kann.

Ein Geschenk des Himmels! Mein Kopf ist klar, der Geist ist frisch; die Nase transportiert den herrlichen Geruch von nasser Erde ins Gehirn; Glückshormone rieseln durch den ganzen Körper.

Mein Rosenstock und ich sind in unserem Glück allerdings allein auf weiter Flur. Meine beiden Vierbeiner bedachten mich auf unserem Morgenspaziergang mit vorwurfsvollen Blicken.  Die Kassiererin bei Dollar General schaute besorgt durch das Schaufenster, als könne sie - wettermäßig - die Welt nicht mehr verstehen. Mein Mann schleicht durchs Haus, brummt alle zehn Minuten "the weather sucks" und verkrümelt sich nun mit einem Krimi ins Wohnzimmer.

Ich aber weigere mich standhaft, Wetter, das an 350 Tagen im Jahr nichts als ewigen, berechenbaren, langweiligen, die Haut austrocknenden, und damit Falten erzeugenden Sonnenschein bringt, als "schön" zu bezeichnen!

Es geht doch nichts über einen Himmel mit den unterschiedlichsten Grautönen, wöchentlichen Regenschauern, mit denen Mutter Natur klarstellt, dass sie immer noch die Oberhand hat, Pfützen, in denen sich später die Wolken spiegeln, und Regenschirmen, die man an den unmöglichsten Orten vergessen kann.

Apropos Regenschirm: Ich weiß noch nicht einmal, ob ich nach elf regenschirmlosen Jahren einen solchen noch zu bedienen wüßte!

Heute regnet es! Es ist einfach wunderbar! Ich werde jetzt den Computer ausschalten und den Regentropfen zusehen.
Bis bald.





Sonntag, 23. September 2012

"Wir haben keine Zeit zu verlieren . . . "



" . . .  deshalb müssen wir ganz langsam machen. Das ist einer meiner Lieblingsausprüche der Familientherapeutin Ruth Cohn. 

Ihn im ganz normalen Alltag anzuwenden, ist schon schwer genug. Wenn man dann aber Tausende von Kilometern über den Teich geflogen ist, um im Südwesten der USA seine kostbaren Urlaubswochen zu verbringen, geht der Stress für so manche erst richtig los.

Nun gehe ich nach wie vor davon aus, dass wir Europäer/innen noch nicht ganz so extrem dem Geschwindigkeitsrausch verfallen sind wie die Amis. (Ich erinnere mich z.B. noch gut an meinen ehemaligen amerikanischen Freund Ron in Altrip, der stolz seiner ihn besuchenden Tochter fünf Länder - Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, und Frankreich - "zeigte" und das innerhalb von zehn Tagen!!)

Dennoch ist die Versuchung groß, während eines vierwöchigen Urlaubs mal eben den Grand Canyon, das Monument Valley, Canyon Lands, Santa Fe, Old Tucson, San Francisco und die Filmstudios in L.A. abzuklappern und dann abzuhaken.

Das allerdings wäre jammerschade!
Man kann mühelos (im wörtlichen Sinne des Wortes) hier, wo ich wohne, gut zehn Tage verbringen.
"Hier" ist natürlich nicht nur Deming. Aber fangen wir mal damit an!
Es folgen nun einige Vorschläge, die Ihr wahrscheinlich in keinem Reiseführer findet. 
  • Setzt Euch auf eine der Bänke beim Wells Fargo Parkplatz und schaut Euch das Treiben in einer von einer Dauerrezension geplagten Kleinstadt an, in der über die Hälfte der Einwohner Spanisch spricht. (Dies ist allerdings nicht während der Sommerhitze zu empfehlen, weil die Bänke einem den Allerwertesten verbrennen!)
  • Wenn Ihr hungrig seid, geht zu Campos, einem mexikanischen Restaurant gleich um die Ecke in der Silver Street und bestellt Myra, der Inhaberin, schöne Grüße von mir. Myras Englisch reicht aus, um Euch den Unterschied zwischen einer "Enchilada" und einem "Burrito" zu erklären.
  • Das Museum - auch in der Silver Street und gut zu Fuß von Campos zu erreichen - hat eine schöne Ausstellung von prähistorischen Töpferwaren, an denen sogar das Smithonian Institute in Washington, D.C. interessiert ist.
  • Besucht Solitaire an der Bundesstraße 549, am Friedhof vorbei, eine Fabrik für Fertighäuser. Die schon zusammengesetzten Exemplare stehen auf einem großen Platz zur Ansicht. Laßt Euch einen Schlüssel geben und schaut Euch nach Herzenslust diese "Single-Wides" und "Double-Wides" an. Es ist schon interessant zu sehen, wie viele Amis hier wohnen: kein Foyer (man ist gleich im Wohnzimmer), die großen begehbaren Schränke, die großen Badewannen, etc.
  • Lust auf Natur? Wenn es nicht zu heiß ist, fahrt auf der Bundesstraße 549 nach Osten weiter und folgt den Schildern zum Rockhound und Spring Canyon State Park. Man hat von dort einen wunderschönen Ausblick auf die gesamte Gegend, bis nach Mexiko.
  • Falls Ihr ein Auto mit Allradantrieb gemietet habt, unternehmt das Abenteuer und besucht die Überreste von Fort Cummings bei Cooks Peak, von der Bundesstraße 26 - nördlich von Deming - erreichbar. Das Museum hat ein Büchlein über Fort Cummings mit einer Wegbeschreibung. Darin erfahrt Ihr auch, dass die Soldaten die Bettpfosten in mit Wasser gefüllte Blechbüchsen stellten, um dem Ungeziefer einigermaßen Herr zu werden. Anstelle nämlich an den Bettpfosten hochzukrabbeln, um das Blut der Schlafenden anzuzapfen, fielen die Plagegeister ins Wasser und ersoffen.
    Wahrscheinlich werdet Ihr dort die einzigen Besucher sein. Verweilt hier ein bißchen und erspürt die Einsamkeit und Unwegsamkeit, zuweilen Feindseligkeit, der Wüste. (Einige der dort im 19. Jahrhundert Stationierten verübten Selbstmord!)
    Hinter Fort Cummings befindet sich Skeleton Canyon, benannt nach den Funden von Knochen derer, die unter den Händen von sehr wütenden Apachen einen sehr langsamen Tod starben.
  • Ebenfalls von der Bundesstraße 26 erreichbar - an der Green Leaf Mine Road - sind mysteriöse Petroglyphen, also in Felsen gehauene Bilder aus prähistorischer Zeiten. Die Bedeutung der Bärentatzen, Schnecken, und Figuren, die an Abbildungen außerirdischer Besucher erinnern, ist noch unklar. Die Gegend wird auch Pony Hills genannt, falls Ihr nach dem Weg fragen müßt. Seid vorsichtig beim Herumklettern! Die gesamte Gegend ist ein Paradies für Klapperschlangen.
Etwas weiter weg von Deming sind folgende Ortschaften zu empfehlen:
  • Weiter auf der Bundesstraße 26 kommt Ihr zur Kreuzung mit der Bundesstraße 27. Biegt dort nach links ab. Das Bannerfoto für diesen Blog zeigt diesen einsamen Highway. Nach wenigen Kilometern erreicht Ihr Lake Valley, einer kaum besuchten Geisterstadt. Einige Häuser stehen noch, ebenso das Schulhaus, in dem man seinen Namen in ein Gästebuch eintragen kann. Man kann hier vielleicht ein Gefühl für das Leben einer kleinen Bergbaustadt im 19. Jhdt. bekommen, in dem die Einwohner mit der ständigen Gefahr eines Apachenüberfalls leben mußten. Obwohl es in der Stille schwer sein wird, sich den damaligen Lärm der Maschinen und der Saloons vorzustellen.
  • Weiter auf der 27 kommt Ihr nach Hilsboro, einem klitzekleinen Ort, in dem sich so manche Künstler und Schriftsteller niedergelassen haben. Das Hilsboro Cafe ist gut! Macht einen kleinen Rundgang durch den Ort und schaut Euch die Überreste des Gefängnisses an.

    Lake Valley und Hilsboro kann man gut an einem Tag schaffen. Falls Ihr früh aufgestanden seid, habt Ihr genug Zeit, um über den Highway 152 nach Westen und 180 nach Süden langsam nach Deming zurückzukommen. 152 ist wunderschön und bietet viele Ausblicke auf steile Felsen und wilde Bäche (falls Ihr im September kommt und es geregnet hat). Stoppt bei Emory Pass und genießt die Aussicht auf die sich bis zum Horizont erstreckenden bewaldeten Berge.
  • Sich in einem der mit heißem, mineralhaltigen Wasser gefüllten Becken der Faywood Hot Springs zurückzulehnen, ist ein Hochgenuß. Vor allem spät am Abend, wenn man den mit Sternen übersäten Himmel über sich hat. Die Hot Springs, eine halbe Stunde nördlich von Deming, am Highway 61, sind bis 22 Uhr geöffnet.
  • Wenn Ihr schon in der Gegend seid, besucht City of Rocks, einen einsam gelegenen, wunderschönen und meist stillen State Park. Lauscht dem rhythmischen Klack, Klack der Windmühle. Bringt etwas zu Essen und zum Trinken. Es gibt keine Geschäfte weit und breit.
  • Weiter nach Norden auf dem Highway 61 und 35 kommt Ihr dann nach Mimbres, wo ich mal für viele Jahre Yoga unterrichtete. La Tienda, der einzige Laden, ist endlich wieder geöffnet. Hans aus Basel und seine deutsche Frau Karin haben ihn aufgekauft. Sogar Benzin gibt es!
  • Am nördlichen Ortsausgang in Mimbres biegt die Georgetown Road vom Highway ab. Eine unbefestigte und nach heftigen Regenschauern kaum befahrbare Straße führt nach Georgetown, einer Siedlung aus dem 19. Jhd., von der allerdings bis auf den Friedhof nichts mehr übrig ist. Der allerdings hat es in sich. Die meisten der verrottenden Gräber tragen die Namen von Kindern, die - soweit ich mich erinnere - in den 1860ern einer Masern -Epidemie zum Opfer gefallen sind. Auf die meisten Grabsteine sind die genauen Lebensdaten graviert: Lilly, one year, three months, ten days old. Manchmal hört man auch während des Tages von den Coyoten ein Geheul, das einem die Haare zu Berge stehen läßt.
  • Über Silver City, der nächstgelegenen Stadt nördlich von Deming, könnt Ihr in fast jedem Reisebuch nachlesen. Hier stellte Sheriff Harvey Whitehill in den 1870ern wieder Zucht und Ordnung her und machte sich einen Namen als derjenige, der dann endlich Billy the Kid das Handwerk legte. Diese Kleinstadt wimmelt heute von Cafes und Galerien, in denen lokale Künstler/innen ihre Werke zum Verkauf anbieten. Holt Euch eine Ausgabe der Desert Exposure beim Naturkostladen oder bei Alota Gelato, der einzigen Eisdiele, die ich kenne! (Die hatten sogar für eine Weile Malaga, meine Lieblingseissorte!) In der Desert Exposure findet Ihr unter "40 days and 40 nights" alle Veranstaltungen der Gegend. Ihr werdet später noch in Euren Schaukelstühlen den Enkelkindern etwas zu erzählen haben, wenn Ihr einen Abend im Buckhorn Saloon im nahegelegenen Pinos Altos verbringt.
    Braucht Ihr Klamotten? Single Socks ist ein toller Second-Hand Laden!
  • Auch über den Catwalk (Wanderweg über Wildwasser) und die Gila Cliff Dwellings (prähistorische Felsenhäuser) - von Silver City erreichbar - findet Ihr anderswo genügend infos.
Hier sind ein paar Links zu den oben genannten Ausflugszielen:
Ende September und Anfang Oktober ist die schönste Zeit hier. Es ist tagsüber immer noch sehr warm (über 30°), aber die Morgen- und Abendstunden können empfindlich kühl sein.

Wie gesagt, besucht Orte "off the beaten path," nehmt Euch Zeit zum Verweilen, Beobachten, Spüren. Nur so verwandeln sich Erfahrungen in unvergeßliche Augenblicke!

Ich verabschiede mich für heute mit einem Foto von der Aussicht von den Florida Mountains in Deming Richtung Cooks Peak. Das Foto habe ich im letzten Frühjahr aufgenommen, als die Poppies blühten und weiten Strecken der Wüste eine herrlich gelbe Farbe verliehen. 


Samstag, 18. August 2012

Drive Thru, Drive In, Drive Up!

Es gibt hier eine Einrichtung, die dem Bedürfnis vieler Amis nach Bequemlichkeit und Zeitersparnis ungemein entgegenkommt.
Ich rede von "Drive - Thrus."

Drive - Thrus und Drive - Ups erlauben einem, sich etwas zu essen zu kaufen, Bankgeschäfte zu erledigen und Briefe einzuwerfen, ohne je
aus dem Auto steigen zu müssen.

Sich z.B. bei McDonald's sein Mittagessen mittels eines Drive Thrus zu bestellen funktioniert folgendermaßen:
Sobald man auf den Parkplatz eines solchen
Establishments eingebogen ist, folgt man dem Drive Thru Schild. Jenes weist einen zu einer riesigen, meist beleuchteten Tafel mit Fotos von diversen erhältlichen Gerichten (s. Foto 1). Name und Preis findet man unter den Fotos. Sobald man zu einer Entscheidung gelangt ist, drückt man einen Knopf. Daraufhin ertönt die meist freundliche Stimme eines Angestellten, der nach den Gelüsten des Gastes fragt. Man gibt seine Bestellung auf, fährt dann ein paar Meter vor und wartet entweder in der Schlange oder - wenn gerade kein anderer auf dieselbe Idee der Essensbeschaffung gekommen ist – direkt vor einem Fenster auf einen anderen Angestellten, der dann nach ein paar Minuten eben dieses Fenster öffnet und einem eine Papiertüte mit dem
begehrten Hamburger und Pommes durchreicht und abkassiert (s. Foto 2). Man macht sich dann mit den soeben erstandenen Esswaren auf den Weg und kann jene fahrenderweise verzehren mit dem guten Gefühl, keine einzige Minute mit dem Sitzen an einem Tisch verschwendet zu haben. Dass fast alle Autos eine automatische Gangschaltung haben, kommt dieser Art der Ernährung ungemein entgegen!

Wer sich dann doch ein paar Minuten gönnen will, kann zu einem Drive-In Restaurant fahren, wie z.B. zu Sonic. Der Unterschied liegt darin, dass man sich nicht "anstellen" muß, sondern sich sein eigenes - überdachtes - Plätzchen aussucht und das Auto ausschaltet. Die Bestellung wird wie bei einem Drive-Thru mittels Tastendruck aufgegeben. Dann wird nach meist nur wenigen Minuten die Mahlzeit ans Auto gebracht. Die kann dann im Auto verdrückt werden, natürlich unter lauter Musikbeschallung.

Wie gesagt, man kann auch seine Banküberweisungen vom Auto aus vornehmen. Man hält hier nach einem Drive - Up - Schild Ausschau, stellt sich in die Schlange und fährt schließlich dann vor. Alles spielt sich natürlich auf der Fahrerseite ab. Die Bankangestellte sieht den neuen Kunden, fragt über eine Sprechanlage nach dem Befinden. Man öffnet eine Klappe, holt einen Behälter heraus und steckt in selbigen z. B. den ausgefüllten Überweisungsschein samt Checks. Sobald man den Behälter in die Klappe zurückgestellt hat, wird jener mittels Vakuum und Luftdruck fast in Sekundenschnelle durch ein Rohr zu seinem Bestimmungsort, nämlich der Bank, befördert. Dort nimmt die Bankangestellte alles entgegen und katapultiert nach getaner Arbeit die Quittung per Knopfdruck zurück zum Ausgangspunkt.

Die Post vom Auto aus einzuwerfen kann mittels eines Drive – Up - Briefkastens erledigt werden. Diese blauen Briefkästen befinden sich oft auf einem Parkplatz oder auf einem anders gearteten Platz. Man kann ganz dicht heranfahren, läßt das Fenster auf der Fahrerseite runter und steckt dann den Brief in die Klappe, die sich dankenswerterweise auf Augenhöhe befindet. (Das Foto zeigt das Postamt in Deming und meinen Mann, der sich ungemein lächerlich vorkam, als ich ihn bat, den Drive-Up Postkasten zu demonstrieren!)
Noch gibt es bei der Post keine "richtigen" Drive Thrus, von denen aus kompliziertere Geschäfte abgewickelt werden können. (Zumindest nicht in Deming.) Das aber ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Als ich meinem Mann gerade eben erzählte, worüber ich hier schreibe, meinte er: "Aber der neue McDonalds in Grünstadt hat doch auch einen Drive-Thru!"

Schluck!
Stimmt das?! Ist die mobile Nahrungsaufnahme auch schon in Deutschland üblich?!

Samstag, 14. Juli 2012

Im Land der Apachen

Luna County - mit Deming als Sitz - gehörte einst zu dem riesigen Gebiet, in dem die Chiricahua Apachen herumwanderten. Ihr Lebensraum erstreckte sich vom Rio Grande im Osten bis zur Südosttecke Arizonas und umfaßte den Nordteil der mexikanischen Bundesstaaten Sonora und Chihuahua.
Die Chiricahuas waren die letzten Indianer, die sich der US Armee ergaben. Am 4. September 1886 war es dann soweit, und Geronimo streckte im Skeleton Canyon in Arizona seine Waffen endgültig nieder.

Ihr könnt mehr über den Überlebenskampf dieser Indianer in Jerry Eagans Artikel für die Desert Exposure nachlesen. Hier ist der Link zu einem der Artikel: http://www.desertexposure.com/200712/200712_exile.php

Soweit ich weiß, haben sich die USA offiziell noch nie für das entschuldigt, was dann folgte. Alle, Kinder, Frauen, und Männer - und sogar die Scouts, die den Amis beim Aufstöbern der letzten ausgezehrten Apachen halfen - wurden als Kriegsgefangene nach Florida verschleppt. Insgesamt waren das nicht mehr als 500 Menschen, die in eine ihnen völlig fremde Umgebung und in menschenunwürdige Lebensbedingungen verfrachtet wurden. Auch die Kinder wurden ihnen weggenommen und in eine Schule nach Pennsylvania geschickt. In dem kalten, nassen Klima erkrankten viele der Kleinen und starben. Jerry Eagan erzählt in einem seiner Berichte, wie oftmals fieberkranke Kinder per Bahn alleine auf den weiten Weg nach Hause geschickt wurden, wo sie entweder mutterseelenallein im Zug starben (man stelle sich diesen Horror vor!) oder dann, falls sie es zu Mutter und Vater schafften, diese dann ansteckten.

Im Oktober 1894 wurden die Chricahua Apachen nach Fort Sill in Oklahoma geschickt, wo sie Land zum Farmen erhielten. Im Jahre 1913 wurden zwei Drittel des Stammes erlaubt, Oklahoma zu verlassen und sich auf der Reservation der Mescalero Apachen (ja, das sind Karl Mays Apachen!) - im südöstlichen Teil New Mexicos - niederzulassen. Ein Drittel blieb in Fort Sill, Oklahoma, fortan "Fort Sill Apaches" genannt - und nicht mehr - zumindest nicht mehr offiiell - "Chiricahua Apachen." Erst 1914 wurde der Status "Kriegsgefangene" aufgehoben.

Die meisten Indianer der USA, sofern sie den Genozid überlebten, wohnen in ihren angestammten Gebieten. Das gilt insbesondere für Stämme des Südwestens wie z.B. für die Navajos, Hopis, Zunis und für andere Pueblo-Indianer. Die Chiricahua Apachen sind die einzigen, von denen jeder Quadratmeter genommen wurde. Die Sehnsucht, "nach Hause" zu kommen, ist auch 126 Jahre nach Geronimos Kapitulation ungebrochen.

Nun spielt sich das letzte Kapitel dieses Dramas ausgerechnet in Deming ab!

Im Jahre 2002 erwarb der Stamm 30 acres (also umgerechnet 7,77 Hektar) der flachen, heißen Wüste, direct an der I 10 (der Autobahn 10) und nur wenige Kilometer östlich von Deming. Kurze Zeit später wurde ein flaches, funktionales Gebäude errichtet und das Apache Homeland Cafe eröffnet, in dem man nicht nur einen Hamburger verdrücken, sondern auch an den neuen Spielautomaten sein Glück versuchen konnte. Schließlich ist für viele Indianerstämme das Betreiben von Kasinos eine der wenigen lukrativen Erwerbsquellen, wo sie die Bleichgesichter legal abzocken können! Dieses Spiel dauerte allerdings nicht lange!

Im Februar 2008 schickte Governeur Richardson den Indianern die Polizei auf den Hals. Die State Police Officer waren angehalten, den Zugang zum Kasino zu versperren. Manche munkelten, dass die Polizisten dazu wenig Lust hatten und eigentlich mehr auf der Seite der Apachen standen.

Nachdem jedenfalls die Automaten verschwunden waren, versuchte man es mit Bingo, einem hier allerorten beliebten Glücksspiel. Schließlich hat selbst das Seniorenzentrum jeden Mittwoch eine "Bingo Night!" Aber auch dieser Art Erwerb machten New Mexico Politiker den Garaus. Seit September 2009 kann man im Apache Homeland Cafe nur noch essen, trinken, Zigaretten kaufen und sich die an der Wand befindlichen Fotos berühmter Apachen anschauen.

Nun geben sich auch diesmal die Apachen nicht so schnell geschlagen. Diesmal wird der Kampf mit ganz anderen Mitteln geführt. Der Stamm lädt mit gut geschrieben Artikeln in der Lokalzeitung zu öffentlichen Sitzungen ein. Die sind dann auch sehr gut besucht. Eine Überraschung für die sonst so apathische Stadt, in der unter der ewig heißen Wüstensonne nicht viel geschieht und wo nur wenig mehr als 10% an öffentlichen Wahlen teilnehmen! Auf diesen Sitzungen zeigen sich die Apachen wohl vorbereitet, rhetorisch sehr geschickt und sehr professionell. Auch für Erfrischungen wird gesorgt. Das Argument, im Falle einer Genehmigung für ein Kasino um die 900 Arbeitsplätze schaffen zu können, zieht. Die meisten in Luna County befürworten die Pläne der Apachen.

Ob das von Erfolg gekrönt wird, bleibt fraglich. Die Governeurin ist dagegen. Auch andere Indianerstämme sind von der Aussicht auf Konkurrenz nicht gerade begeistert. Allerdings kann das BIA (Bureau for Indian Affairs) den Indianern die Erlaubnis auch gegen den Willen der Governeurin Susanna Martinez geben.

Das Kasino würde den Apachen das Einkommen bescheren, das sie brauchen, um hier in und um Deming mehr Land zu kaufen. Denn den verbleibenden Stamm von ungefähr 800 Leuten "nach Hause" zu bringen, ist das eigentliche Ziel.

Ich jedenfalls drücke ihnen die Daumen.

Vor ein paar Wochen besuchte ich hier in Deming einen Vortrag über die Geschichte des Stammes von der Ankunft der Spanier bis heute. Hinterher kam ich mit Jeff Haozous, dem offiziellen Sprecher des Stammes, ins Gespräch. Der ist übrigens hellhäutiger als ich! Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er, dass man nur 1/8 Apachenblut in sich haben muß, um als "Apache" zu gelten. Außerdem erfuhr ich, dass nur noch sehr wenige die Sprache sprechen, und ich lernte die junge Apachenfrau kennen, die ein computerisiertes Sprachprogramm entwickeln will, mit dessen Hilfe die junge Generation hoffentlich die Muttersprache erlernen kann.

Hier ist die Webseite der Fort Sill Apaches: http://www.fortsillapache-nsn.gov/

Und hier sind die Links zu ein paar Zeitungsartikeln zum Thema:

Sonntag, 10. Juni 2012

Im Hundepark, Teil 2


Wir haben einen Verbündeten unter uns: Joe, der sein Haus mit fünf Terriermischlingen teilt. Und Joe arbeitet bei der Stadt. Was genau, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich wette, dass er bei allem, was im und um den Hundepark herum geschah (siehe Post vom 10. Juni) und geschieht, seine Finger im Spiel hat.

Manchmal z.B passiert es, dass der sich am Eingang befindliche Kasten mit den poop bags (den Beuteln für die Hundekacke) leer ist. Das hat dann vor allem für die Nase schlimme Konsequenzen, wie sich jeder und jede ausmalen kann. Ein Anruf von Joe allerdings genügt, und nur zehn Minuten später kommt jemand vom Recreational Department und füllt den Kasten wieder auf. Die Zweibeiner können dann wieder ihre Pflicht erfüllen und die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner diskret beseitigen.

Joe ist jeden Tag im Park.
Und auch ich komme mit Lisa und Smokey seit nunmehr eineinhalb Jahren mehrmals in der Woche zum Hundepark. Es ist erstaunlich zu beobachten, wie sich im Laufe der Zeit auch unter den Herrchen und Frauchen eine Gemeinschaft entwickelt hat.

Es sind fast immer dieselben, die kommen: Lucy, eine ehemalige Lehrerin, mit ihren Corgi Humphrey; Mary, die bei K-Mart arbeitet, und ihre vier Chihuahuas, Tiny, Tobi, Dingo und Chicita; die Ruheständler Jan und Floyd mit ihrem Terriermischling Chico; Don, der mal für den Forest Service in Arizona gearbeitet hat, mit Freddy, einem Jack Russell, und Henry, einem Rat Terrier; und der schweigsame Chris mit Wendall, einem süßen, rabenschwarzen Was-Auch-Immer. Manchmal gesellt sich Joel mit seinen Pudeln Angel und Gideon zu uns. Ab und zu taucht Terry mit ihrer lebhaften Roxi auf und Barbara mit ihrem Winzling Pixie.


Anfangs war man bemüht, sich all die Hundenamen einzuprägen. Seit einem halben Jahr nun haben sich auch die Namen der Moms und Dads im Gedächtnis festgesetzt.

Wenn jemand mal für ein paar Tage nicht auftaucht, gibt das Grund zur Besorgnis.
Joe z.B. blieb für geschlagene drei Monate aus. Der Hundepark wirkte verlassen ohne ihn und seine fünf Hunde. Es stellte sich dann heraus, dass Sugar, sein Lieblingshund, gestorben war und er es in seiner Trauer einfach nicht über sich bringen konnte, mit nur vieren seiner Lieblinge aufzutauchen. Eine Welle der Erleicherung ging durch alle, als er endlich eines Nachmittags wieder erschien.

Joel (der mit den Pudeln) hatte im Frühjahr endlich ein Vorstellungsgespräch. Am Tage dieses wichtigen Termins gaben alle Hundeeltern ihre Meinung über seine Chancen zum Besten. (Er erhielt den Job!)

Don (der Forest Service Typ) kümmert sich aufopfernd um seine an den Rollstuhl gefesselte Frau, wäscht, geht einkaufen, kocht und putzt. Ansonsten schimpft er wie ein Rohrspatz über die Republikaner.

Kürzlich wurde Floyd, Chicos Dad, ein Lungenkarzinom entfernt. Nun ist er auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Las Cruces. Seine Frau Jan liefert nun getreulich Berichte über seinen Zustand an den Rest der Hundebesitzer. Die Anteilnahme ging allerdings über das Sich-Erkundigen hinaus: In den letzten zehn Jahren hatte Jan das Fahren - und Tanken - ihrem Mann überlassen. Ich war nun baß erstaunt, kürzlich von ihr zu hören, dass K-Mart Mary (die mit den vier Chihuahuas) sich mit Jan an einer Tankstelle traf, um ihr das Tanken zu zeigen! Nicht nur dass, Mary fuhr Jan mehrmals nach Las Cruces, so daß Jan ihren Mann besuchen konnte! (Der absolute Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln und das Aufgeschmissensein, wenn man - aus irgendwelchen Gründen - nicht fahren kann, ist ein Kapitel für sich!)

Zu der Zeit, als wir so sehr unter den Modellflugzeugtypen litten (siehe Post vom 6. Februar 2011) waren mein Mann und ich im Zentrum allgemeiner Besorgnis. Die Anteilnahme der Hundeeltern und Pudel-Joels Angebot, für uns zu beten, taten einfach gut.

Letzten Samstag nun verlor Lucy, Humphreys Mom, das Gleichgewicht und fiel hin. Es dauerte eine Weile, bis Don, Chris und ich die schwergewichtige Frau endlich wieder auf den Beinen hatten. Sie klagte sofort über Hüftschmerzen. Ich half ihr zurück zum Auto. Sie ist bisher nicht wieder im Park gewesen. Was mag nur los sein? Hoffentlich hat sie sich nichts gebrochen!

Im Hundepark, Teil 1


Der Hundepark in Deming ist ein schöner Grünflecken. Die zwei ihn im Westen und Osten eingrenzenden Straßen sind relativ still. Auf der Südseite schließt sich das Baseballfeld der High School an, nördlich ein großer Spielplatz für groß und klein.

Große, alte Bäume spenden ausreichend Schatten für Vier- und Zweibeiner. Es gibt sogar eine Trinkwasserstelle, niedrig genug, so dass auch die kleinsten unter den Hunden an das begehrte Naß herankommen.

Der gesamte Hundepark ist von einem hohen Maschendrahtzaun umgeben, der selbst den gekonntesten Ausreißern das Ausbüchsen verunmöglicht. Ein ebenso hoher Zaun trennt den Teil für die großen Hunde von dem Teil für die kleinen Hunde. Seit die Stadt das Vorhängeschloß am Gatter am Ende dieses trennenden Zauns entfernte, ist auch wieder Frieden hergestellt. Nun kann man nämlich einfach eben jenes Gatter etwas beiseite schieben, um auf die andere Seite zu gelangen.

Im letzten Sommer hatte es unter den diversen Hundebesitzern gehörig Krach gegeben. Damals war der Hundepark noch ungeteilt gewesen. Dann aber beschwerten sich einige Besitzer von kleinen Hunden über aggressives Verhalten einiger größerer Hunde - und deren Herrchen. Prompt errichtete die Stadt jenen trennenden Zaun. Die - größere - Westseite war den Kleinhunden vorbehalten, die - kleinere - Ostseite den größeren Hunden. Die Kleinhundbesitzer (in der Überzahl) lobten die Stadtverwaltung.

Da saßen sie nun, die Besitzer der Deutschen Schäferhunde, Pit Bulls, Dobermännern usw. und schauten neidvoll rüber auf den größeren und grüneren Teil! Und beschwerten sich ihrerseits! Warum sollen wir mit unseren Hunden, die doch mehr Auslauf brauchen, uns mit dem kleineren Teil begnügen?!

So kam es, wie es kommen mußte! Eines sonnigen Nachmittags sah ich mich auf der "falschen" Seite! Am Tage zuvor hatte die Stadt die Seiten ausgetauscht: Die Ostseite war nun die für die Kleinhunde, der größere Westteil für die großen. Wir Kleinhundbesitzer quetschten uns auf die einzige Bank in diesem Teil des Parks und maulten. Warum müssen wir, die wir doch in der Überzahl sind, uns mit dem kleineren Teil begnügen?! Schaut euch das doch mal an! Kein einziger Hund ist da drüben auf der anderen Seite!

Die Stadt hatte wieder ein Einsehen: Mehr Bänke wurden hingestellt und eine zusätzliche Trinkwasserstelle installiert. Die Gemüter beruhigten sich etwas.

Ein Problem gab es aber noch! Was sollen denn die Hundebesitzer machen, die z.B. zwei kleine Hunde und einen großen haben?! Sollen die etwa den großen Vierbeiner alleine auf die Westseite schicken und mit den kleinen auf der Ostseite bleiben?! Und so einfach wäre auch diese Abwegigkeit nicht zu bewerkstelligen! Schließlich müßte man um den halben Park laufen, um zur anderen Seite zu gelangen!
Auch ich trug meinen Teil bei: Manche kleine Hunde, wie z.B. meine Lisa, spielen liebendgern mit einem großen Hund! Und außerdem sind die Besitzer der großen Hunde doch auch sehr nett. Man kann sich ja gar nicht mehr mit denen unterhalten! Der hohe Maschendrahtzaun mitten durch den Park ist schlicht und einfach eine neue Variante der Berliner Mauer!

Auch diese Klagen blieben nicht unerhört, obwohl keiner/keine sich je offiziell beschwerte. Eines sonnigen (was auch sonst?) Nachmittags lief ich meiner Lisa folgend am trennenden Zaun entlang, Als ich das Ende erreicht hatte, sah ich mit Erstaunen, dass das Vorhängeschloß fehlte. Überrascht zog ich am Gatter, und siehe da, es ließ sich beiseite rollen. Der Vereinigung von Ost und West, von groß und klein stand von nun an nichts mehr im Wege!

Nun ist die Welt wieder in Ordnung., das Vertrauen in die Stadtverwaltung - halbwegs - wieder hergestellt, und die Hundewelt glücklich ob der neuen Schnüffel- und Kontaktmöglichkeiten.

Fortsetzung folgt.

Montag, 28. Mai 2012

Es liegt etwas in der Luft

Der Himmel war nicht klar heute morgen. Als ich die Verandatür öffnete, damit unsere Vierbeiner sich erleichtern konnten, stieg mir der Geruch sofort in die Nase. Rauch!

Nicht etwa von einem Grillfest der Nachbarn (die hören, sehen und riechen wir zum Glück kaum), sondern von einem Feuer, das  über zwei Stunden weit weg von hier in der Gila Wilderness seit Wochen schon wütet.

Das ist hier im Südwesten eine alljährliche Erscheinung. Bei Temperaturen um die 30° seit Mitte Mai, so gut wie keinen Regen und einer jahrelangen extremen Trockenheit ist das kein Wunder.

So manchen droht die Evakuierung.
Ich erinnere mich an eine Teilnehmerin an meinen Yogakursen im Mimbres Tal, die manchmal nicht wußte, ob sie nach dem Abendkurs nach Hause konnte. Sie befürchtete, dass die Freiwillige Feuerwehr die Strasse ins obere Tal, wo sie wohnte, wegen Feuergefahr absperrte und sie nicht durchließ.

Letztes Jahr war es in New Mexico so schlimm, das die Bewohner in weiten Teilen des Bundesstaates in den Zeitungen über die gesundheitsschädigenden Folgen des Einatmens von Rauch gewarnt wurden. Weniger Stabilen wurde angeraten, zu Hause zu bleiben! An so manchen Tagen unterließen wir das Einschalten der Klimaanlage. Unser Haus hätte sonst wie ein Räucherladen gestunken!

Nun ist es also wieder mal soweit. Die ersten Feuer in New Mexico haben schon  über 40 000 Hektar vernichtet. Eines meiner Lieblingsdörfer, Mogollon, nur über eine gewundene Bergstrasse erreichbar, wurde zwangsevakuiert. 500 Feurwehrleute versuchen, diese Naturgewalt unter Kontrolle zu bringen. Bisher vergebens.  Ein riesiger Teil ist vom Forest Service für Wanderungen und fürs Campen gesperrt. Darunter auch die Gegend um den Snow Lake, den ich nun gerne mal ausgekundet hätte.

Für diejenigen unter Euch, die einen Besuch hier planen, Wanderwege in der Catwalk-Gegend sind wegen extremer Brandgefahr geschlossen; die Gila Cliff Dwellings sind - noch - offen. Aktuelle Informationen über Sperrungen in der Gila Wilderness erhält man unter www.fs.usda.gov/gila.

Hier ist der Link zu einer Fotoslideshow, die die derzeitigen verheerenden Brände in Arizona, Nevada und New Mexico veranschaulicht:  http://news.yahoo.com/photos/firefighters-battle-nevada-wildfire-slideshow/nm-fire-photo-1337953614.html

Meine Augen tränen, Kopfschmerzen haben sich eingestellt, und sogar unsere vierpfotigen Hausgenossen liegen nur müde herum. Wir halten uns also heute - am Memorial Day - weitgehend drinnen auf.


Donnerstag, 26. April 2012

Auf dem Friedhof


Mein Mann und ich mögen alte Friedhöfe. 
So beschlossen wir letzten Montag auf dem Nachhauseweg von Silver City, einen kleinen Abstecher zu machen. Anstelle also auf der Bundesstrasse 180 direkt nach Deming zu fahren, bogen wir nach Osten auf die Bundesstrasse 152 ab. Eigentlich suchten wir nach dem Friedhof in Vanadium, von dessen aus den Tagen des "Wilden Westens" stammenden Gräbern wir gehört hatten. Weder mein Mann noch ich konnten uns allerdings recht an die Lage des Ortes erinnern. Kurz bevor wir die Eisenbahnschienen erreichten, bogen wir dann auf die 356 nach links ab. (Wie ich später zu Hause entdeckte, hätten wir nach rechts abbiegen sollen).

Nach nur wenigen Metern hieß uns ein Schild zur Historic Town of Fierro willkommen. Anstelle umzukehren, packte uns die Neugier und wir setzten unsere Fahrt auf der einsamen Landstrasse fort. 

Von Fierro, einem Bergbaustädtchen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, ist nicht mehr viel übrig. Ein paar alte, verfallene Häuschen säumen die Strasse. Einige - neuere - sind sogar bewohnt. Vor einem der runtergekommenen Häuser sehe ich einen Mann mit weißen, kniehohen Socken und mit nacktem Oberkörper im mit Unrat bedecktem Vorgarten stehend und mit einem Handy telefonierend. Ein Mädchen rennt schreiend durch die offene Tür ins Haus. Die blinden Fensterscheiben sind zerbrochen. Irgendwelche Tücher wehen dahinter und verwehren auch den neugierigsten Blick ins Innere. 

Bilder einer erschreckenden Armut!

Wir fuhren weiter und entdeckten linkerhand die Cemetery Road. Auf dieser unbefestigten Strasse erreichten wir nach wenigen Minuten den Friedhof. Außer uns war keine Menschenseele zu sehen. Langsam liefen wir zwischen den Gräbern umher. Viele sind eingefallen und außer ein paar Steinen und einem vermodertem Holzkreuz ist nichts mehr übrig. 



Mit den Augen suchte ich die Jahresdaten ab: geboren im Jahre X, gestorben im Jahre Y, das macht also dann soundsoviel Jahre. 
In vielen Gräbern liegen Kinder, manche sind noch nicht einmal ein Jahr alt geworden. 


Fast alle hier Begrabenen waren mexikanischer Abstammung, die Inschriften sind in Spanisch. Dennoch entspricht die Datumsangabe dem amerikanischen Gebrauch: Zuerst kommt der Monat, dann der Tag, zum Schluß das Jahr. (Carmen Garcia ist also nicht am siebten Tag des sechzehnten Monats geboren, sondern am 16. Juli 1887.)

Auch auf den Gräbern, um die sich noch ein entfernter Nachfahre kümmert, gibt es keine frischen Blumen. Blumen sind hier teuer und halten sich in der sengenden Sonne nur wenige Stunden. So schmücken Plastikblumen die Gräber. Am Kopfende gibt ein Schrein mit Jesus oder Maria hinter Glas Zeugnis der Religionszugehörigkeit. Ein schmiedeeiserner Zaun mit einem Türchen, das sich quietschend öffnen läßt, hält Coyoten und andere Tiere draußen.

Ich entdeckte das Grab eines Mannes, der ist im Jahre 1860 geboren war. Damals war hier in diesem rauhen Ort die Hölle los. Betrunkene und Krawallmacher wurden kurzerhand an einen hohen, in den Boden getriebenen Pfosten gebunden, bis sie wieder nüchtern waren oder sich wieder beruhigt hatten. Falls es sein mußte, verbrachten sie die ganze Nacht am Pfosten.
Ein Jahr später dann brach der Krieg mit den Apachen aus, der vielen Bergbauarbeitern das Leben kostete.

Wir entdeckten eine steinerne Bank und setzten uns unter einen schattenspendenden Baum. Es herrschten 33 Grad. In der Ferne konnten wir die Arbeiter hören, die mit der Reparatur der Eisenbahnschienen nach Silver City beschäftigt waren.

Wir philosophierten über die Vergänglichkeit des Lebens. Wir spürten sie, während wir dem hellen Geläut eines Windspiels lauschten, das in einem Baum über dem Grab eines Kindes befestigt war. Wir wurden innerlich ganz still. Es war als hätten wir für einige Augenblicke Ewigkeit gespürt.

Wie gut, dass es solche Orte noch gibt!

Angehörige einäschern zu lassen, liegt im Trend. Es ist günstiger, platzsparender, und man kann die Urne mit nach Hause nehmen, um den Inhalt später irgendwo zu zerstreuen.

Wäre aber unsere Welt nicht ohne jene alten Friedhöfe ärmer?
Wohin würden wir gehen, um Zwiesprache mit den Toten und uns selbst zu halten?

Montag, 12. März 2012

Sie rief an!

Nachtrag zum letzten Post:

Jessica von "Keep Luna County Beautiful" rief noch am gleichen Tag an und erkundigte sich nach der genauen Lage des Mülls.
Sie versprach, am nächsten Tag jemanden dorthin zu schicken, um diesen Schandfleck auf die Liste setzen zu können.
(Die haben also hier eine ganze Liste von solchen illegalen Müllhalden!)
Ich jedenfalls freute mich über diese prompte Reaktion.

Letzten Samstag machte ich eine ähnlich positive Erfahrung:
Ich traf mich mit meinem Freund Barry zum Spaziergang mit unseren Hunden. Auch er wohnt an einer unbefestigten Straße, an der nur wenige Häuser liegen. Nach einigen Minuten machten wir eine häßliche Entdeckung: Ein wunderschöner, grauer Hund lag tot direkt neben der Straße; seine Vorderbeine waren zusammengebunden.

Sobald ich wieder zuhause war, ermutigte mich mein Mann, das Tierheim anzurufen und die Hundeleiche zu melden. Die Frau am Telefon zeigte sich sehr betroffen und versprach, "Animal Control" zu informieren.
Wenige Stunden später erhielt ich prompt einen Anruf von einem "Animal Control Officer," der gerade dabei war, in seinem Wagen die Straße abzufahren, bis dahin aber unfähig gewesen war, den toten Hund aufzuspüren. Ich versuchte, so gut es eben ging, ihm den Fundort zu erklären. (Wie soll man denn jemandem die genaue Lage an einer unbefestigten Straße erklären, wenn die eintönige und stachelige Vegetation meilenweit keinerlei Anhaltspunkte bietet?) Er versprach, es noch ein letztes mal zu versuchen.
Sofort alamierte ich meinen Freund, der ja an dieser Straße wohnt. Als der wenige Minuten später den Wagen des "Animal Control Officer" erreichte, hatte jener den toten Hund endlich gefunden.
Im Gespräch mit dem Mann erfuhr mein Freund Barry, dass die Hundeleiche keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung aufwies und dass der Hund also aller Wahrscheinlichkeit nach schlicht wegen seines Alters verstorben war. Die zusammengebundenen Vorderbeine erklärte sich Animal Control Officer damit, dass auf diese Weise es wohl für die Hundebesitzer einfacher gewesen sei, den toten Vierbeiner ins Auto zu hieven. Dennoch, fügte er hinzu, ist es nicht in Ordnung, einen toten Hund einfach wie Müll zu behandeln und auf den Straßenrand zu legen.

Jedenfalls auch hier eine prompte Reaktion von offizieller Stelle!

Wie kommentierte das meine Lauffreundin Sherry? "At least a few people here are trying to make this a better place!"

Sonntag, 4. März 2012

Lasse eine barmherzige Auffassung aller Dinge . . .

. . . Deine Lebensaufgabe sein.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, von wem dieser Ausspruch ist.
Ich erinnere mich aber daran, dass er mir "runter ging wie Butter," als ich ihn zum ersten mal las. Ich habe ihn sogar auf einem Zettel auf meinem Schreibtisch.

Manchmal fällt es mir allerdings schwer, ihn zu beherzigen und auf so manche Beobachtungen in Deming, wo ich seit fast zehn Jahren lebe, anzuwenden.

Da unsere Vierbeiner über den Winter beträchtlich an Gewicht zugenommen haben, treffe ich mich mehrmals in der Woche mit meiner Freundin Sherry, die um die Ecke wohnt. Gemeinsam und mit insgesamt vier Hunden laufen wir so schnell wie es unsere Kondition erlaubt durch die Wüste gleich hinter ihrem Haus. (Schließlich haben auch wir Zweibeiner etwas Fett angesetzt.)

Es ist eine große Freude, unsere Hunde in der leeren Weite der Wüste toben zu sehen.

Hab ich eben "leere Weite" gesagt?
Schön wäre es!


Sherry warnte mich schon vor unserem ersten Lauftreffen, dass Leute hier unbefugterweise ihren Müll loswerden. Und tatsächlich, rechts und links der unbefestigten Straße sieht man unzählige Bierflaschen, Sofas, Matrazen, alte Autoreifen, Plastiktüten, Kisten, Kleidungsstücke und Zeug, das ich lieber nicht näher untersuchen will! Wenn man sich weiter von der unbefestigten Straße entfernt und quer durch die Wüstenlandschaft läuft, sieht es noch viel schlimmer, sprich wüster, aus, wie das Foto beweist.

Nun ist die Landschaft eh schon nicht von ausgeprägter Schönheit. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie noch mehr verschandelt werden muß!

Wer macht so was? Was denken die sich?
Was für ein häßlicher Ausdruck an Respektlosigkeit!

Meine Wut über diesen Unrat ist verstärkt durch Sherrys Berichte über ihre frustrierenden, oft herzerweichenden Erlebnisse in der Tierarztpraxis, in der sie arbeitet: Von Leuten, die der Tierärztin ihre Welpen zum "Einschläfern" bringen, weil sie das Geld für die Behandlung nicht aufbringen wollen; von Leuten, die ihrem Unmut darüber, dass ihr Hund oder ihre Katze es gewagt hat, krank zu werden, lauthals und kaltherzig Luft verschaffen.
"War das bei deinem früheren Arbeitsplatz in San Antonio nicht auch der Fall?" frage ich sie. "Nein," sagt sie kopfschüttelnd, "so viel Brutalität hat es dort nicht gegeben."

Barbara fällt mir ein, eine meine Teilnehmerinnen an meinen Yogakursen, die nun nach Virginia zieht. Letzten Donnerstag drückte sie mich fest an sich und wünschte mir, dass auch ich recht bald "zurück in die Zivilisation" ziehen kann.

Aber zunächst mal zurück zum Unrat: Es gibt vier "dump stations" in Deming. Der an der Bundesstraße 549 nimmt fast alles. (Das County Road Department nimmt sogar Reifen.) Und dann ist da noch der Second Hand Laden, der dankbar jede Spende entgegen nimmt. Adresse, Telefonnummern und Öffnungszeiten all dieser Stellen werden mehrmals im Monat in der Zeitung bekannt gegeben.

Mein Mann war gestern - aus einem völlig anderen Anlaß - beim County Road Department und kam mit der Sekretärin dort ins Erzählen. Er erwähnte den "illegal dump," auf den meine Freundin und ich gestoßen sind. Es gibt viele davon, erfährt er. Mit Hilfe von Ehrenamtlichen sammelt "Keep Luna County Beautiful" mehrmals in der Woche den Unrat auf. Warum man denn keine Verbotsschilder aufstelle, wollte mein Mann wissen.
"Die werden geklaut," antwortete sie.

Ich habe jedenfalls einige Fotos aufgenommen, um sie an die Behörden weiterzuleiten. Heute morgen rief ich Jessica von "Keep Luna County Beautiful" an, hinterließ eine Nachricht auf ihrem AB. Eben schickte ich ihr eine Email mit den Fotos.
Bin gespannt, ob sie wirklich zurückruft oder sich anderswie meldet und bereit ist, etwas zu unternehmen.

Nun würde ich gerne von denen, die hier in den USA leben, etwas wissen:
Ist das bei Euch auch so schlimm? Habt Ihr in Euren Ortschaften auch so viel Unrat herumliegen? Oder ist das mehr eine Erscheinung des von Armut geprägten südlichen Arizonas und New Mexicos?

Sonntag, 5. Februar 2012

Praktisches und Unpraktisches

Die Renovierung unseres Häuschens nähert sich dem Ende. Die noch verbleibenden Arbeiten werden - hoffentlich - bis zum Ende dieses Monats fertig gestellt sein.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir uns in naher Zukunft zurücklehnen und Däumchen drehen könnten! Das Nebengebäude muß nämlich einer ebenso gründlichen Renovierung unterzogen werden wie das Haus. Und dann ist da natürlich das Stück Wüste, auf dem diese Gebäude stehen! Dieses in etwas zu verwandeln, das dann auch nur halbwegs als "Garten" bezeichnet werden kann, wird uns einigen Schweiß kosten!

Dennoch bietet das absehbare Ende der dringlichsten Arbeiten die Gelegenheit einer Bestandsaufnahme bezüglich der praktischsten und unpraktischsten Dinge hier rund ums Haus.

Hier meine beiden Lieblinge in der Kategorie "Praktisches:"

1. Häuser und Wohnungen haben in der Regel eine komplett ausgestattete Küche mit Herd, Microwelle, Kühlschrank, Spülbecken und Einbauschränken. Das mag manchem zwar nicht neu - oder edel genug - sein, aber zumindest kann man Mahlzeiten zubereiten und muß sich nicht gleich auf die Jagd nach passendem Küchenmobiliar machen.

Im Falle unseres Hauses sind die Einbauschränke erstklassig: Wunderschön und in echtem, hellem Holz!

2. Man braucht keine schweren und teuren Schränke!
Das untenstehende Foto zeigt nicht die Tür zu einem Zimmer, sondern zu unserem begehbaren Kleiderschrank (der allerdings fast so groß wie ein Zimmer ist).




















Es soll zwar Zeitgenossen geben, die auch einen solchen Aufbewahrungsort in Kürze in eine Art Wühltisch verwandeln; das ist dann aber wahrscheinlich mit einem sehr viel größeren Aufwand verbunden als bei herkömmlichen Schränken, in denen Kleidungsstücke viel einfacher verloren gehen.

Nun kommen wir zur gegenteiligen Kategorie:

1. Fenster lassen sich nicht nach innen öffnen. Es muß entweder die rechte oder die linke Fensterscheibe zur Seite geschoben werden.

Zwar vermindert eine derartige Fensterkonstruktion drastisch die Anzahl der unachtsamen Momente, in denen man sich den Kopf gegen den Fensterrahmen haut; allerdings bleiben einem bestimmte Dekorationsmöglichkeiten verschlossen. Nette Dinge, die vor der Mitte eines Fensters gehängt werden könnten, sehen einfach nicht mehr nett aus, da sie den rechten Rahmen der linken Fensterscheibe und den linken Rahmen der rechten Scheibe im Hintergrund haben.















Aber es kommt noch schlimmer!
Eine Freundin, die ich eher als "putzwütig" eingestuft hatte, erklärte vor einigen Monaten, dass sie ihre Fenster nur einmal im Jahr putzt.
Mein Erstaunen über eine derart dreiste Deklaration ist mittlerweile einem völligen Verständnis gewichen!
Da die Fenster sich nicht nach innen öffnen lassen, kann die Außenseite der Fenster nur dadurch gesäubert werden, dass man die einzelnen Scheiben mit viel Muskelkraft aus dem Rahmen hebt!!
Das Foto unten zeigt die beiden Scheiben des einen Schlafzimmerfensters auf dem Fußboden stehend und gegen die Wand gelehnt.




















2. Staubsauger sind schwer, unhandlich und unfähig.
Wie oft habe ich diese Dinger hier verflucht, wenn ich zum x-ten male über einen Fusel fahre, nur um ihn dann am Ende mit der Hand aufheben und direkt vor den Schlauch des Staubsaugers halten zu müssen!



















Ich habe große Sehnsucht nach "Dino," dem kleinen, leichten und wendigen Ding, dass sogar den Teppichboden in meiner Grünstadter Wohnung aufgesogen hätte, wäre es nach ihm gegangen!

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die hier so typischen schranklosen, "beküchten" Häuser sehr gefallen.
In der gelegentlichen Fensterputzerei und dem häufigen Staubsaugen sehe ich ausgezeichnete Möglichkeiten zum Muskelaufbautraining.