Sonntag, 15. Mai 2011

Die Modellflugzeuge sind verschwunden!

Im Februar schrieb ich über den Modellflugzeugclub, der sich regelmäßig hinter unserem Grundstück traf, um ihrer nervtötenden und lautstarken Passion ohne Rücksichtnahme auf Anwohner zu frönen.

Dem aufmerksamen Leser/ der aufmerksamen Leserin wird es nicht entgehen, dass ich nun in der Vergangenheitsform schreibe. Es ist das erste Wochenende, an dem wir uns vor dem Krach sicher fühlen! Und es ist herrlich!

Wie haben wir es geschafft, die Stadt Deming dazu zu bewegen, diesen Leuten die Erlaubnis, das Land hinter unserem Grundstück zu benutzen, zu entziehen?

1. Wir haben fast jedesmal den Sheriff geholt. Die konnten zwar nicht viel unternehmen, weil a) der Club die Erlaubnis von der Stadt hatte und weil b) der County keine noise ordinance (also Lärm betreffende Gesetze hat). Allerdings stapelten sich mit der Zeit die Berichte im Büro des Sheriffs. Außerdem gingen die Deputies natürlich jedesmal rüber zu den Lärmverursachern, um mit denen zu reden. Das war dann einigen Modellflugzeugbegeisterten peinlich, und die kamen dann nicht mehr. Die Aggressiveren allerdings ließen sich nicht beirren.

2. Wir schrieben einen fünf-seitigen Brief an den Stadtratsvorsitzenden, in dem wir ihm die gesundheitsschädigenden Folgen von Lärm verdeutlichten und ihn darum baten, die Erlaubnis an diesen Club zurückzuziehen.

3. Wir haben allen, die wir kennen, davon erzählt, u.a. dem Landratsvorsitzenden, ein Bekannter von uns. Der hat dann den Stadtrat angerufen und von ihm erfahren, dass der Club nach dem 1. Mai nicht mehr fliegen würde. (Es stelllte sich allerdings leider heraus, dass sein Wort nicht viel wert war!)

4. Wir haben uns an Noise Free America gewandt, eine non-profit Organisation für Lärmbekämpfung. Die haben eine Pressemitteilung verfaßt und an Hunderte von Zeitungen im ganzen Land geschickt, u.a. natürlich auch an die Deming Headlight, unsere Lokalzeitung.

5. Als die Typen um 7:40 an einem Samstag - nach dem 1. Mai! - ihr ersten Flugzeug in die Luft schickten, sind wir dem Stadtratsvorsitzenden mit fast täglichen Anrufen auf den Leib gerückt. (Jemand hatte uns seine Privatnummer zugeflüstert!)

Letzten Donnerstag sind die Möchte-Gern Piloten ein letztes mal angerückt, allerdings nicht um zu fliegen, sondern um ihre Sachen zu packen!

Wir wissen nicht, was sich alles in dieser Kleinstadt rumsprach und wer welche Fäden im Hintergrund gezogen hat. (Der Stadtratsvorsitzende verriet meinem Mann, dass die Zeitung sich bei ihm gemeldet habe!)

Wir hätten weiter gekämpft. Der nächste Schritt wäre eine Klage gegen die Stadt und den Flugzeugclub gewesen. Der letzte Schritt ein Umzug.

Das ist nun glücklicherweise nicht mehr notwendig.


Dienstag, 3. Mai 2011

Berufsvielfalt


Letzten Samstag waren wir bei einer der wenigen Theateraufführungen, die hier in Deming veranstaltet werden. Bette Waters, Hauptfigur dieser Veranstaltung, gehört zu meinem Bekanntenkreis. Schauspielerin ist beileibe nicht ihr erster oder gar einziger Beruf! Sie war Krankenschwester, Hebamme, und ist nun Schriftststellerin und Buchverlegerin.

Es gibt kaum jemanden in meinem Freundeskreis, der nur einen Beruf ausübte.
  • Mein Freund Barry war Straßenhändler, Zeitungsverleger, Schauspieler und Schriftsteller.
  • Mein Freund Tim war Psychologe in eigener Praxis, Leiter einer Klinik, und nun verkauft er chinesische Antiqutitäten.
  • Meine Freundin Chris war Schulbusfahrerin, Aushilfe in einem Tierheim, dann Sekretärin in einem Maklerbüro.
  • Meine Bekannte Joyce war Massagetherapeutin, Buchhändlerin, Krankenhausseelsorgerin, und verdient sich nun ihren Lebensunterhalt als psychologische Beraterin.
  • Mein Mann war Bauarbeiter, Besitzer von zwei Motorradgeschäften, Besitzer einer Baufirma, und nun ist er ein Home Inspector.
Meine Freundin Inez dagegen ist eine Rarität: Bisher übte sie nur einen einzigen Beruf aus, nämlich den der Apothekerin.
Ihr Mann übrigens war Fliesenleger und ist nun ein Makler.

Das ist etwas, was ich an diesem Land sehr mag. Viele wechseln mehrfach ihre berufliche Laufbahn, und ein Neubeginn mit 40, 50 oder gar mit über 60 Jahren ist keine Seltenheit.

Die Vorstellung, mit 18 oder 19 Jahren eine berufliche Entscheidung treffen zu müssen, die dann für den Rest des Lebens kaum noch verändert werden kann, ist meinen Freunden hier sehr fremd.

Ich litt sehr unter dem Zwang, mich in Deutschland so früh festlegen zu müssen. Als ich dann mit 32 beschloß, Psychologie zu studieren, stieß ich auf viel Unverständnis. Es gab doch tatsächlich einige Kollegen, die in diesem - jungen - Alter begannen, Pläne für die Zeit nach ihrer Pensionierung zu machen!

Nun erhält man hier nicht nur Ermutigung und Unterstützung für einen Berufswechsel und fürs selbstständig-Arbeiten; man wird auch ermuntert, dem Ruf des Herzens zu folgen, wohin auch immer der einen trägt und auch wenn er die sogenannte Sozialleiter hinunter führt.

In dieser Hinsicht fühle ich mich - 50-jährig und Pläne für einen vierten Beruf schmiedend - sehr zu Hause!