Freitag, 28. September 2012

Da beißt die Maus dem Schwanz . . .

. . .  keinen Faden ab.

Welch köstliche Redewendung übrigens! Sie ins Englische zu übersetzen würde nichts weiter als fragende Blicke hervorrufen!

Aber zurück zur Maus:
Da beißt eben jene dem Schwanz keinen Faden ab, aber ICH brauche Regen! Genauso wie mein Rosenstock vor der Tür. Ohne Wasser von oben oder - seien wir mal nicht so anspruchsvoll -  ohne eine leichte Berieselung von oben dann und wann gehen wir ein wie die sprichwörtliche Primel.

Und heute regnet es! Den ganzen herrlichen Tag.

Beim Aufwachen schon war der Himmel in einem vielversprechenden dunkelgrau. Wenig später setzte jener wunderbare leichte Dauerregen ein, den ich hier, im südlichen New Mexico, leider nur ein oder zweimal in Jahr genießen kann.

Ein Geschenk des Himmels! Mein Kopf ist klar, der Geist ist frisch; die Nase transportiert den herrlichen Geruch von nasser Erde ins Gehirn; Glückshormone rieseln durch den ganzen Körper.

Mein Rosenstock und ich sind in unserem Glück allerdings allein auf weiter Flur. Meine beiden Vierbeiner bedachten mich auf unserem Morgenspaziergang mit vorwurfsvollen Blicken.  Die Kassiererin bei Dollar General schaute besorgt durch das Schaufenster, als könne sie - wettermäßig - die Welt nicht mehr verstehen. Mein Mann schleicht durchs Haus, brummt alle zehn Minuten "the weather sucks" und verkrümelt sich nun mit einem Krimi ins Wohnzimmer.

Ich aber weigere mich standhaft, Wetter, das an 350 Tagen im Jahr nichts als ewigen, berechenbaren, langweiligen, die Haut austrocknenden, und damit Falten erzeugenden Sonnenschein bringt, als "schön" zu bezeichnen!

Es geht doch nichts über einen Himmel mit den unterschiedlichsten Grautönen, wöchentlichen Regenschauern, mit denen Mutter Natur klarstellt, dass sie immer noch die Oberhand hat, Pfützen, in denen sich später die Wolken spiegeln, und Regenschirmen, die man an den unmöglichsten Orten vergessen kann.

Apropos Regenschirm: Ich weiß noch nicht einmal, ob ich nach elf regenschirmlosen Jahren einen solchen noch zu bedienen wüßte!

Heute regnet es! Es ist einfach wunderbar! Ich werde jetzt den Computer ausschalten und den Regentropfen zusehen.
Bis bald.





Sonntag, 23. September 2012

"Wir haben keine Zeit zu verlieren . . . "



" . . .  deshalb müssen wir ganz langsam machen. Das ist einer meiner Lieblingsausprüche der Familientherapeutin Ruth Cohn. 

Ihn im ganz normalen Alltag anzuwenden, ist schon schwer genug. Wenn man dann aber Tausende von Kilometern über den Teich geflogen ist, um im Südwesten der USA seine kostbaren Urlaubswochen zu verbringen, geht der Stress für so manche erst richtig los.

Nun gehe ich nach wie vor davon aus, dass wir Europäer/innen noch nicht ganz so extrem dem Geschwindigkeitsrausch verfallen sind wie die Amis. (Ich erinnere mich z.B. noch gut an meinen ehemaligen amerikanischen Freund Ron in Altrip, der stolz seiner ihn besuchenden Tochter fünf Länder - Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, und Frankreich - "zeigte" und das innerhalb von zehn Tagen!!)

Dennoch ist die Versuchung groß, während eines vierwöchigen Urlaubs mal eben den Grand Canyon, das Monument Valley, Canyon Lands, Santa Fe, Old Tucson, San Francisco und die Filmstudios in L.A. abzuklappern und dann abzuhaken.

Das allerdings wäre jammerschade!
Man kann mühelos (im wörtlichen Sinne des Wortes) hier, wo ich wohne, gut zehn Tage verbringen.
"Hier" ist natürlich nicht nur Deming. Aber fangen wir mal damit an!
Es folgen nun einige Vorschläge, die Ihr wahrscheinlich in keinem Reiseführer findet. 
  • Setzt Euch auf eine der Bänke beim Wells Fargo Parkplatz und schaut Euch das Treiben in einer von einer Dauerrezension geplagten Kleinstadt an, in der über die Hälfte der Einwohner Spanisch spricht. (Dies ist allerdings nicht während der Sommerhitze zu empfehlen, weil die Bänke einem den Allerwertesten verbrennen!)
  • Wenn Ihr hungrig seid, geht zu Campos, einem mexikanischen Restaurant gleich um die Ecke in der Silver Street und bestellt Myra, der Inhaberin, schöne Grüße von mir. Myras Englisch reicht aus, um Euch den Unterschied zwischen einer "Enchilada" und einem "Burrito" zu erklären.
  • Das Museum - auch in der Silver Street und gut zu Fuß von Campos zu erreichen - hat eine schöne Ausstellung von prähistorischen Töpferwaren, an denen sogar das Smithonian Institute in Washington, D.C. interessiert ist.
  • Besucht Solitaire an der Bundesstraße 549, am Friedhof vorbei, eine Fabrik für Fertighäuser. Die schon zusammengesetzten Exemplare stehen auf einem großen Platz zur Ansicht. Laßt Euch einen Schlüssel geben und schaut Euch nach Herzenslust diese "Single-Wides" und "Double-Wides" an. Es ist schon interessant zu sehen, wie viele Amis hier wohnen: kein Foyer (man ist gleich im Wohnzimmer), die großen begehbaren Schränke, die großen Badewannen, etc.
  • Lust auf Natur? Wenn es nicht zu heiß ist, fahrt auf der Bundesstraße 549 nach Osten weiter und folgt den Schildern zum Rockhound und Spring Canyon State Park. Man hat von dort einen wunderschönen Ausblick auf die gesamte Gegend, bis nach Mexiko.
  • Falls Ihr ein Auto mit Allradantrieb gemietet habt, unternehmt das Abenteuer und besucht die Überreste von Fort Cummings bei Cooks Peak, von der Bundesstraße 26 - nördlich von Deming - erreichbar. Das Museum hat ein Büchlein über Fort Cummings mit einer Wegbeschreibung. Darin erfahrt Ihr auch, dass die Soldaten die Bettpfosten in mit Wasser gefüllte Blechbüchsen stellten, um dem Ungeziefer einigermaßen Herr zu werden. Anstelle nämlich an den Bettpfosten hochzukrabbeln, um das Blut der Schlafenden anzuzapfen, fielen die Plagegeister ins Wasser und ersoffen.
    Wahrscheinlich werdet Ihr dort die einzigen Besucher sein. Verweilt hier ein bißchen und erspürt die Einsamkeit und Unwegsamkeit, zuweilen Feindseligkeit, der Wüste. (Einige der dort im 19. Jahrhundert Stationierten verübten Selbstmord!)
    Hinter Fort Cummings befindet sich Skeleton Canyon, benannt nach den Funden von Knochen derer, die unter den Händen von sehr wütenden Apachen einen sehr langsamen Tod starben.
  • Ebenfalls von der Bundesstraße 26 erreichbar - an der Green Leaf Mine Road - sind mysteriöse Petroglyphen, also in Felsen gehauene Bilder aus prähistorischer Zeiten. Die Bedeutung der Bärentatzen, Schnecken, und Figuren, die an Abbildungen außerirdischer Besucher erinnern, ist noch unklar. Die Gegend wird auch Pony Hills genannt, falls Ihr nach dem Weg fragen müßt. Seid vorsichtig beim Herumklettern! Die gesamte Gegend ist ein Paradies für Klapperschlangen.
Etwas weiter weg von Deming sind folgende Ortschaften zu empfehlen:
  • Weiter auf der Bundesstraße 26 kommt Ihr zur Kreuzung mit der Bundesstraße 27. Biegt dort nach links ab. Das Bannerfoto für diesen Blog zeigt diesen einsamen Highway. Nach wenigen Kilometern erreicht Ihr Lake Valley, einer kaum besuchten Geisterstadt. Einige Häuser stehen noch, ebenso das Schulhaus, in dem man seinen Namen in ein Gästebuch eintragen kann. Man kann hier vielleicht ein Gefühl für das Leben einer kleinen Bergbaustadt im 19. Jhdt. bekommen, in dem die Einwohner mit der ständigen Gefahr eines Apachenüberfalls leben mußten. Obwohl es in der Stille schwer sein wird, sich den damaligen Lärm der Maschinen und der Saloons vorzustellen.
  • Weiter auf der 27 kommt Ihr nach Hilsboro, einem klitzekleinen Ort, in dem sich so manche Künstler und Schriftsteller niedergelassen haben. Das Hilsboro Cafe ist gut! Macht einen kleinen Rundgang durch den Ort und schaut Euch die Überreste des Gefängnisses an.

    Lake Valley und Hilsboro kann man gut an einem Tag schaffen. Falls Ihr früh aufgestanden seid, habt Ihr genug Zeit, um über den Highway 152 nach Westen und 180 nach Süden langsam nach Deming zurückzukommen. 152 ist wunderschön und bietet viele Ausblicke auf steile Felsen und wilde Bäche (falls Ihr im September kommt und es geregnet hat). Stoppt bei Emory Pass und genießt die Aussicht auf die sich bis zum Horizont erstreckenden bewaldeten Berge.
  • Sich in einem der mit heißem, mineralhaltigen Wasser gefüllten Becken der Faywood Hot Springs zurückzulehnen, ist ein Hochgenuß. Vor allem spät am Abend, wenn man den mit Sternen übersäten Himmel über sich hat. Die Hot Springs, eine halbe Stunde nördlich von Deming, am Highway 61, sind bis 22 Uhr geöffnet.
  • Wenn Ihr schon in der Gegend seid, besucht City of Rocks, einen einsam gelegenen, wunderschönen und meist stillen State Park. Lauscht dem rhythmischen Klack, Klack der Windmühle. Bringt etwas zu Essen und zum Trinken. Es gibt keine Geschäfte weit und breit.
  • Weiter nach Norden auf dem Highway 61 und 35 kommt Ihr dann nach Mimbres, wo ich mal für viele Jahre Yoga unterrichtete. La Tienda, der einzige Laden, ist endlich wieder geöffnet. Hans aus Basel und seine deutsche Frau Karin haben ihn aufgekauft. Sogar Benzin gibt es!
  • Am nördlichen Ortsausgang in Mimbres biegt die Georgetown Road vom Highway ab. Eine unbefestigte und nach heftigen Regenschauern kaum befahrbare Straße führt nach Georgetown, einer Siedlung aus dem 19. Jhd., von der allerdings bis auf den Friedhof nichts mehr übrig ist. Der allerdings hat es in sich. Die meisten der verrottenden Gräber tragen die Namen von Kindern, die - soweit ich mich erinnere - in den 1860ern einer Masern -Epidemie zum Opfer gefallen sind. Auf die meisten Grabsteine sind die genauen Lebensdaten graviert: Lilly, one year, three months, ten days old. Manchmal hört man auch während des Tages von den Coyoten ein Geheul, das einem die Haare zu Berge stehen läßt.
  • Über Silver City, der nächstgelegenen Stadt nördlich von Deming, könnt Ihr in fast jedem Reisebuch nachlesen. Hier stellte Sheriff Harvey Whitehill in den 1870ern wieder Zucht und Ordnung her und machte sich einen Namen als derjenige, der dann endlich Billy the Kid das Handwerk legte. Diese Kleinstadt wimmelt heute von Cafes und Galerien, in denen lokale Künstler/innen ihre Werke zum Verkauf anbieten. Holt Euch eine Ausgabe der Desert Exposure beim Naturkostladen oder bei Alota Gelato, der einzigen Eisdiele, die ich kenne! (Die hatten sogar für eine Weile Malaga, meine Lieblingseissorte!) In der Desert Exposure findet Ihr unter "40 days and 40 nights" alle Veranstaltungen der Gegend. Ihr werdet später noch in Euren Schaukelstühlen den Enkelkindern etwas zu erzählen haben, wenn Ihr einen Abend im Buckhorn Saloon im nahegelegenen Pinos Altos verbringt.
    Braucht Ihr Klamotten? Single Socks ist ein toller Second-Hand Laden!
  • Auch über den Catwalk (Wanderweg über Wildwasser) und die Gila Cliff Dwellings (prähistorische Felsenhäuser) - von Silver City erreichbar - findet Ihr anderswo genügend infos.
Hier sind ein paar Links zu den oben genannten Ausflugszielen:
Ende September und Anfang Oktober ist die schönste Zeit hier. Es ist tagsüber immer noch sehr warm (über 30°), aber die Morgen- und Abendstunden können empfindlich kühl sein.

Wie gesagt, besucht Orte "off the beaten path," nehmt Euch Zeit zum Verweilen, Beobachten, Spüren. Nur so verwandeln sich Erfahrungen in unvergeßliche Augenblicke!

Ich verabschiede mich für heute mit einem Foto von der Aussicht von den Florida Mountains in Deming Richtung Cooks Peak. Das Foto habe ich im letzten Frühjahr aufgenommen, als die Poppies blühten und weiten Strecken der Wüste eine herrlich gelbe Farbe verliehen.