Freitag, 18. Oktober 2013

Recycling Misere

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann in Deutschland Recycling Pflicht wurde. War das Anfang der 90er Jahre?
Erinnern kann ich mich allerdings lebhaft an den Altpapierstapel auf dem Küchenschrank, den ich stets zu einer Höhe anwachsen ließ, bis auch keine einzige Ausgabe der Rheinpfalz mehr Platz hatte! Auch erinnere ich mich an das Scheppern der unterm Küchentisch angesammelten Flaschen, wenn ich mit einem Fuß versehentlich dranstieß. (Meine letzte Wohnung in Deutschland war wirklich winzig!)

Nun ist das 21. Jahrhundert schon über zehn Jahre alt, und in manchen Gegenden der USA - wie hier in Deming, im südlichen New Mexico - ist Recycling immer noch fast ein Fremdwort.
Bis vor kurzen warf man allen Müll unsortiert in den Abfalleimer, entweder nach Herzens Lust oder mit einem anfänglich noch schlechten Gewissen.

Letztes Jahr änderte sich das, wenn nicht etwa dramatisch, so doch zumindest ein wenig:
Die Stadt stellte einige Container auf, wie die in der Spruce Street:



Wer will, kann nun hier Plastikflaschen, Papier und alte Kartons loswerden.

Alles natürlich auf freiwilliger Basis! Wäre ja noch schöner, hier mit Verordnungen daher zu kommen! Das kommt bei den "freiheitsliebenden" Amis nämlich gar nicht gut an. Dass "Freiheit" nicht unbedingt meint, jeder und jede kann tun - oder unterlassen, was er/sie will, unabhängig vom den Auswirkungen auf die Umwelt, haben die, die hier das Sagen haben, noch nicht begriffen.

Übrigens war das der zweite Versuch der Stadt, Deming - in umweltlicher Hinsicht - näher an die Zivilisation zu bringen. Der erste Versuch scheiterte kläglich. Demings Bewohner benutzten die Container, um sich ihres Unrats aus Küche, Keller, Dachboden und Garten zu entledigen!

Glas?
Das wird weiterhin einfach weggeworfen!

Diesen beklagenswerten Umstand erleichtert lediglich die Tatsache, dass die allermeisten Getränke - Milch, Wasser, Säfte - in Plastikflaschen abgefüllt werden.

Was macht man aber nun mit Wein- oder Bierflaschen?
Man könnte natürlich Anti-Alkoholiker werden.
Dann bleiben aber immer noch die Marmeladen-, Gurken- und Tomatensaucegläsern!

Vor ein paar Monaten hatte ich genug des umweltlichen Unfugs und trug das bißchen bei, das ich beifügen konnte. Ich bat meinen Freund Barry, die Beweisstücke seines Alkoholkonsums aufzubewahren. Nach einem halben Jahr (er trinkt nicht viel und ich so gut wie gar nichts) hatte ich genug, um mein Projekt in die Tat umzusetzen.
Vor ein paar Wochen besprühte ich die Wein- und Bierflaschen mit blauer Glasfarbe und baute mit meinem Mann einen Flaschenbaum:



Hier eine Detailaufnahme:



Die restlichen Bierflaschen steckte ich mit dem Flaschenhals nach unten in den Boden. Mit den Solarlights sehen die vor allem abends eigentlich sehr schön aus.




Der nächste Schritt bestand darin, jedem aus meinem elektronischen Adressbuch ein Email samt Fotos vom oben gezeigtem Bäumchen zu schicken.
Besonders gefreut haben mich die Antworten mit frischen Tips zur Verminderung der lokalen Recycling-Misere:
  • Silver City, die Kleinstadt im Norden an der Bundesstraße 180, hat eine Recyclingstelle, wo auch Glas angenommen wird.
    Da gibt es allerdings zwei Nachteile:
    1. Man fährt ungefähr eine Stunde einfache Fahrt (man denke an das Benzin, das dafür die Luft verpestet)
    2. Wer nicht im Grant County wohnt (Deming gehört zum Luna County), wird bei der Flaschenabgabe zur Kasse gebeten. (Die Höhe der Gebühr kenne ich allerdings nicht.)

    Stell Dir also vor, Du lebst in Darmstadt und mußt nach Frankfurt, um dort Dein Altglas zu entsorgen und mußt dafür auch noch bezahlen!
  • Es gibt in Las Cruces, der nächstgelegenen Einkaufsstadt im Osten von Deming, ein Kaufhaus, vor dem ein Container für Glass steht.
    Nachteil: Auch Las Cruces ist eine Stunde von Deming entfernt.
  • Man kann Glas als Baumaterial und/oder Füllmaterial verwenden.
    Das nun finde ich ungemein vielversprechend!
Nun plane ich eine kunterbunte Wand aus Mörtel und Flaschen aller Farben und Größen!
Und, wie die Schreiberin vorschlug, einen Hügel!
Der würde sich auf unserem ansonsten langweilig flachen Grundstück gut machen!

Einziger, aber schwerwiegender, Nachteil: 
Ich müßte entweder eine Säuferin werden oder noch viele Jahre in Deming bleiben, bis ich all die notwendigen Flaschen beisammen hätte!
Da ziehe ich doch lieber um!

Und die Marmeladen- und Spaghettisaucegläser?
Die werden demnächst in schöne Behälter verwandelt und VERSCHENKT!

Montag, 7. Oktober 2013

Auf dem Wege zur amerikanischen Staatsbürgerschaft: Teil 3

Der letzte Akt, nämlich die Einschwörungszeremonie, war der angenehmste.

Diesmal mußte ich nur nach Las Cruces (eine Stunde Fahrtzeit anstelle der zwei ein halb bis nach El Paso).

Laut Anschreiben sollte ich um 8 Uhr im Convention Center sein. Da es sich um einen feierlichen Anlaß handelte, wurde ich außerdem gebeten, nicht in kurzen Hosen, T-Shirt oder mit Flip Flops aufzutauchen.

Also habe ich mich schick gemacht und - da Freunde und Familie ausdrücklich willkommen waren - nahm meinen Mann und zwei enge Freunde mit.

Bei unserer Ankunft hatte sich schon eine lange Schlange vor dem Eingang gebildet. Diesmal wurde viel geschwatzt und gelacht, und auch die ersten Fotos wurden geschossen.

"Meine" Beamtin vom Einbürgerungsinterview (siehe letzter Blogeintrag) stand direkt vor der Eingangstür mit einer langen Namensliste. Wir begrüßten uns herzlich.
In der großen Halle drinnen wurden alle Begleitpersonen angewiesen, sich in den hinteren Teil des sich nebenan befindlichen Saales zu setzen. Alle zukünftigen Staatsbürger/innen stellten sich erneut in eine Schlange, um dann ihre Greencard abzugeben und um die Einbürgerungsurkunde sowie eine Kopie davon zu unterschreiben. Dann erhielt ich einen großen Umschlag mit der Nummer 109.

Im großen Saal hieß es dann also den Sitz mit der Nummer 109 zu finden. Vor lauter Aufregung lief ich etliche Reihen ab, bis ich endlich den gesuchten Sitzplatz gefunden hatte.

Danach geschah - nichts! Geschlagene zwei Stunden lang! Es dauerte nicht lange und die anfängliche freudige Erregung war einer gähnenden Langeweile gewichen. Wann fangen die denn endlich an? Worauf warten die denn? fragte ich meine Sitznachbarinnen, die auch nur mit den Schultern zuckten. Die Nachbarin zu meiner Linken, eine junge Vietnamesin, hatte sich von draußen ein Programm geholt, dass sie nun öffnete und mir dann wortlos reichte. Da stand es, schwarz auf hellblau: Die Zeremonie würde erst um 10 Uhr beginnen!

Wie verbringt man nun eineinhalb Stunden, in denen absolut gar nichts geschieht? Es gab noch nicht einmal Neuankömmlinge zu begutachten, da spätestens um 8:30 Uhr alle anwesend waren. Meine Nachbarinnen rechts und links wußten sich zu helfen. Die hatten ihre "Smart Phones" dabei und texten und sandten Emails, was das Zeug hielt. Mir - mit meinem "Dumb Phone" - blieb nichts anderes übrig, als nun zum dritten mal die sich im Umschlag befindlichen Papiere herauszuholen und anzuschauen: Ein Heft mit dem Wortlaut der "Declaration of Independence" und der "Constitution," ein Büchlein - "The Citizen's Almanach" - mit dem Abdruck anderer, für die USA wichtiger Texte, eine Brochüre über die Eintragung ins Wählerverzeichnis, eine Hochglanzkarte, die über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten sowie über weitere Schritte (wie z.B. die Beantragung eines amerikanischen Passes) aufklärte und - in einem separaten Umschlag - eine "Message from the President of the United States," in der Obama die Neubürger willkommen heißt.  Außerdem enthielt der Umschlag ein US Fähnchen.

Punkt zehn Uhr war es dann endlich soweit. Die Zeremonie begann. Polizeibeamte in prachtvoller Uniform betraten den Saal und marschierten schweigend im Gleichschritt zum Podium, wo sie die US Fahne und die Fahne von New Mexico rituell aufstellten. Genauso rituell und genauso schweigend verließen sie dann den Saal. Eine Frau erschien und sang a capella die Nationalhymne, The Star Spangled Banner. Eine Friedensrichterin machte nun einige einleitende Bemerkungen und stellte die von der Einwanderunsbehörde anwesenden Beamten vor. Ich erfuhr, dass wir 142 Anwärter/innen aus 19 unterschiedlichen Ländern waren. Als nächstes wurden alle diese Länder - mit einer Ausnahme - alphabetisch aufgerufen und wir sollten bei der Nennung unseres Landes aufstehen und stehenbleiben. Ich war die einzige aus Deutschland. Als "Mexiko" am Schluß aufgerufen wurde, erhoben sich mindestens drei Viertel aller Anwesenden. In einer nun folgenden richterlichen Erklärung wurde uns allen offiziell und feierlich die Staatsbürgerschaft gewährt und wir legten den Eid auf die USA ab. Die Sängerin sang nun "America the Beautiful." Nachdem der Hauptredner, ein Kollege der Friedensrichterin, seine Rede - an die ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann - beendet hatte, wurden zwei Videoclips gezeigt: der erste mit einer Ansprache Obamas für uns Neubürger, der zweite mit Naturschönheiten dieses Landes und "Proud to be American" als Soundtrack. Bei letzterem wurden wir angehalten, doch  unser Fähnchen zu wedeln!

Es gab noch andere Elemente dieser Veranstaltung, die ich hier auslasse.
Das Ende war dann lang. Jeder Neubürger/jede Neubürgerin wurde mit Namen aufgerufen, lief dann nach vorne zum Podium, schüttelte den beiden Friedensrichtern die Hand und erhielt die Einbürgerunsgurkunde. Wer Freunde und Angehörige mit Fotoapparaten dabei hatte (was bei den meisten natürlich der Fall war), stellte sich zwischen den beiden Richtern in Pose. Wenn die Fotographierenden dann mit der Bedienung ihres Apparates nicht vertraut waren, konnte das dauern, bis endlich der oder die Nächste aufgerufen werden konnte! Den beiden Richtern taten mit Sicherheit am Abend noch von all der Lächelei die Mundwinkel weh!

Bei meiner Ankunft beim Podium fragte mich die Richterin, "where do you come from?" (Vielleicht, weil mein Name so "un-spanisch" ist?) "Germany," antwortete ich kurz und bündig. "How wonderful!" entgegnete sie. (Vielleicht, weil ich - aus einem Land kommend mit niedriger Arbeitlosenrate und höherem Lebensstandard - in diesem Augenblick eine Abwechslung darstellte?)

Erschöpft, müde und irgendwie glücklich verließ ich um 1 Uhr mit meinem Anhang das Gebäude. Unsere Freundin lud uns alle zum Essen ein. Wir speisten -  französich!