Wie einfach war das doch
in Mannheim/Ludwigshafen gewesen! Selbst die entferntesten
Stadtviertel waren mit Bus und Bahn erreichbar. Und das nicht nur
einmal am Tag, sondern mehrere male in der Stunde.
Auch der Erwerb von
Fahrscheinen war denkbar einfach. Man warf bei der Haltestelle
entsprechende Münzen in einen Automaten und erhielt prompt seinen
Fahrschein samt Wechselgeld. Eine Anschlagtafel gab Auskunft über
Abfahrtszeiten von und Ankunftszeiten an weiteren Haltestellen.
Aber was erzähle ich
Euch, die Ihr beneidenswerterweise in zivilisierteren Gebieten wohnt!
Nun ist es
zugegebenerweise nicht ganz fair, europäische Ballungsgebiete mit
amerikanischen Provinzkäffern zu vergleichen. Aber selbst in einer
Stadt wie Las Cruces im südlichen New Mexico, die mit immerhin über
100 000 Einwohnern zu den größeren Städten zählt, ist es sehr
schwer, ohne Auto auszukommen.
Hier ein Auszug aus
Wikipedia über den öffentlichen Nahverkehr in Las Cruces
(Hervorhebungen von mir):
The city operates a small transit authority
known as RoadRUNNER Transit. RoadRUNNER Transit operates a total of
nine routes running Mondays through Saturdays. There is no
Sunday service. An adult fare is
$1.00. The active fleet consists of three
Nova Bus RTS (2000 model year) and
11
Gillig Advantage (2004 and 2008 model years) transit buses, all of
which are 35 feet (11 m) long and wheelchair-accessible.
Im
Klartext: Insgesamt sind lediglich 14 Busse unterwegs, Sonntags läuft
gar nichts, und der Fahrpreis ist spottbillig!
In Deming, wo ich seit
über zehn Jahren lebe, sieht die Situation natürlich nicht viel
besser aus. Die Buslinie hier verweist mit ihrem spanischen Namen
„Corre Caminos“ auf den „Roadrunner,“ einem für den
Südwesten typischen Vogel, der lieber mit Spitzengeschwindigkeiten
von 30 km per Stunde durch die Gegend rennt als fliegt.
Und so sehen die
Kleinbusse aus:
Allein schon die Auskünfte
über Abfahrtszeiten und Standorte der Haltestellen sind nicht
einfach zu erhalten. Nachdem alle Internet-Reserche sich als zwecklos
erwiesen hatte, machte ich mich vor ein Wochen auf den Weg zum
zuständigen Büro in der Country Club Rd. Zunächst mal war da keine
Menschenseele zu sehen. Nach einigem Rufen kam ein Angestellter aus
dem hinteren Teil des Gebäudes, sichtlich irritiert. Nachdem ich
mein Anliegen vorgetragen hatte, dauerte es einige Minuten intensiver
Suche in Schubladen und auf staubbedeckten Regalen, bis ihm klar
wurde, dass er mir das Verlangte nicht geben konnte. Daraufhin rief
er Corre Caminos Hauptbüro in Silver City an, von wo dann endlich
ein Fahrplan durch-gefaxt wurde!
Fahrscheine? Ach ja! „Die
erhalten sie direkt beim Fahrer. Aber der gibt kein Wechselgeld
heraus! Sie müssen also den Fahrpreis passend bei sich haben!“
Ein großes Plus hat der
Corre Caminos allerdings aufzuweisen: Man kann sich für einen
geringen Aufpreis direkt von zu Hause abholen lassen!
Da mein Mann wegen eines
Augenleidens nicht mehr selbst fahren kann, machte er in der
folgenden Woche die Probe aufs Exempel. Sein Arzttermin in Silver
City – der Kleinstadt eine Stunde nördlich von hier – war um
10:45. In aller Herrgottsfrühe, nämlich um 6:45 (also vier Stunden
vor dem eigentlichen Termin!) und damit 15 Minuten früher als
vereinbart, tauchte der Kleinbus vor unserer Tür auf. Mein Mann
hatte noch nicht einmal Zeit, seinen Toast zu verdrücken. Um 8:30
war er am „Terminal“ in Silver City, wo er glücklicherweise nur
ungefähr zehn Minuten auf seinen Anschlussbus warten musste. Nach
wenigen weiteren Minuten war er um 9 in der Arztpraxis. Um 11:30 war
er dort fertig, hatte Glück und wurde von einem Bus zurück zum
Terminal gebracht. Dann hieß es warten, warten und nochmals warten.
Die Abfahrtszeit des
einzigen Busses zurück nach Deming war 14:35! Mittlerweile knurrte
der Magen und er hätte gut und gerne zwei Pizzas verdrücken können.
Da wir die Gegend kennen und wissen, dass vom Terminal aus ein
Spaziergang zu einem meilenweit entfernten Restaurant entlang der
vielbefahrenen Bundesstraße (die keinen Bürgersteig hat) nicht in
Frage kommt, hatte er mit belegten Brötchen und einer kleinen
Wasserflasche vorgesorgt. Um 16:30 dann holte ich ihn endlich bei
Burger King in Deming ab! Er brauchte gut einen Tag, um sich von
derlei Reisestrapazen zu erholen.
Er war also für einen
Arzttermin, der nicht länger als 45 Minuten in Anspruch nahm, über
neun Stunden unterwegs. Mit dem Auto wäre das eine drei-stündige
Angelegenheit gewesen.
Kein Wunder also, dass man
sich um einen Sitzplatz nicht sorgen muss. Die Kleinbusse sind so gut
wie leer!
Fernverkehr? Da sieht es
noch trostloser aus! Der Zug hält dreimal. Nicht dreimal in der
Stunde, nicht dreimal am Tag! Nein, dreimal IN DER WOCHE! Um einen
Fahrschein zu ergattern, muss man ans Internet und das Wochen vorher!
Ansonsten bleibt einem nichts anderes übrig, als sich wieder des
Autos zu bedienen.