Montag, 30. September 2013

Auf dem Wege zur amerikanischen Staatsbürgerschaft: Teil 2

Ungefähr vier Wochen nach der Fingerabdruckprozedur (s. letzter Blogeintrag) erhielt ich von der Einwanderungsbehörde das Anschreiben mit dem Interviewtermin in El Paso.

Ich wußte, dass ich einen Englischtest bestehen mußte, dass aus einem Pool von 100 Fragen zum Regierungsaufbau, zur Geschichte und Geographie des Landes zehn Fragen gestellt werden, und dass ich mindestens sechs davon richtig beantworten mußte.

Vorbereitungsmaterial gab es genug. Von der Webseite der „US Citizen and Immigration Services“ (kurz USCIS, die offizielle Bezeichnung der Einwanderungsbehörde) konnte man sich eine PDF - Datei herunterladen und ein kurzes Video über den Ablauf des Interviews ansehen. Am hilfreichsten fand ich das „Learning About the United States“ – Heft, das ich bei meinem Fingerabdrucktermin erhalten hatte (s. letzter Blogeintrag).

Schwierig waren diese Fragen nun wirklich nicht: „Welcher Ozean liegt im Westen der USA?“  „Wer lebte in Amerika vor der Ankunft der Europäer?“ „An welchem Tag feiert die USA ihre Unabhängigkeit?“

Mein Termin war um 9 Uhr; laut Anschreiben sollte ich allerdings eine halbe Stunde vorher erscheinen. In der Nacht zuvor hatte ich vor lauter Aufregung kaum ein Auge zugemacht. Völlig übermüdet packte ich mich also am nächsten Morgen um 6 Uhr ins Auto und nahm zur seelischen Unterstützung meinen Mann mit. Und los gings. Der dichte Morgenverkehr half, mich vom Bevorstehenden abzulenken.

Punkt 8:30 Uhr kamen wir an. „Tief ein- und ausatmen!“ befahl ich mir, klemmte die Brieftasche mit den angeforderten Dokumenten unterm Arm, betrat das Gebäude und konnte es kaum fassen, dass der Sicherheitsbeamte am Eingang uns - freundlich entgegenlächelte.
Nachdem ich ihm das USCIS - Anschreiben überreicht hatte, unsere Taschen vom Laufband ins Innere befördert und wir ohne Alarm auszulösen durch die Schleuse getreten waren, deutete der Beamte auf einen kleineren Warteraum hinter jener großen, direkt vor uns befindlichen Wartehalle, an die ich denkbar schlechte Erinnerungen hatte.

Vor vielen Jahren mußte ich im selben Gebäude persönlich einen Antrag auf eine Ersatz-Greencard stellen. (INS, wie die Behörde sich damals nannte, hatte meine erste Greencard auf „Monica“ ausgestellt anstelle auf „Monika,“ was diese Karte ungültig gemacht hatte!) Damals war jene große Wartehalle vollbesetzt, und mehrere Sicherheitsbeamte umkreisten die dort Sitzenden, als hätten sie es mit Schwerverbrechern zu tun. Ich mußte über vier Stunden warten, und, da ich kaum etwas gegessen hatte, wurde mir schlecht und zittrig.

Diesmal allerdings war jene Halle fast menschenleer, und wir nahmen in der angewiesenen kleineren Wartehalle Platz. Mein Mann durfte ohne Weiteres mit. (Bei meinem oben erwähnten früheren Besuch war er auf sehr unfreundliche Weise hinausgebeten worden.) Der allgegenwärtige Fernseher lief. Kaum jemand sprach. Ich war die einzige Europäerin. Die schick gekleidete Latina auf dem Stuhl vor mir war mit ihrer Anwältin da. Einige hatten das Learning about the US-Büchlein auf den Knien und versuchten, in letzter Minute sich die Antworten einzuprägen.

Jedesmal wenn die Seitentür aufging und der eine oder die andere Beamtin heraustrat, um jemanden aufzurufen, blickten wir Wartenden erwartungsvoll auf. Einige Beamte schauten netter aus als andere. Manchmal ging die Tür auf, nur um jemanden herauszulassen. Wir noch Sitzenden studierten dann die Gesichter: Ist da ein erleichtertes Lächeln? Warum schaut denn der so ernst aus? Was bedeutet das denn?

Die Wartezeit zog sich hin wie Kaugummi. Nach ungefähr 30 Minuten hatte ich wohl alle an diesem Morgen Dienst habenden Beamten kurz erspäht. „Den oder die hätte ich gern,“ dachte ich bei so manchem Gesicht. „Den bulliger Typ hier lieber nicht!“ Ein dünner, hellhäutiger Beamte brachte uns dann alle zum Lächeln. „A whole bunch of nervous faces this morning!” rief er irgendwann aus.

„Meine“ Beamtin war dann eine meiner „Wunschkandidatinnen!“ Mit einem breiten Lächeln gab sie mir die Hand und bat mich, ihr zu folgen. In ihrem Büro angelangt, stellte sie sich mit ihrem Namen vor. Ihr folgendes „How are you?“ beantwortete ich ehrlich: “Ich bin nervös.“ „Nein! Sie haben überhaupt keinen Grund, nervös zu sein! Wir hatten einige Fälle heute morgen, die waren  . . . “  Sie machte eine entsprechende Handbewegung und ließ den Satz unbeendet. „But everything will be fine with you.“

Alle Nervosität war mit einem Schlag verschwunden. Es ist schon erstaunlich, was Worte ausmachen können!

Nachdem ich den Schwur abgeleistet hatte, nichts als die reine Wahrheit zu sagen, bat sie mich, Platz zu nehmen und wies auf die Süßigkeiten in einer Schale auf ihrem Schreibtisch hin, für den Fall, dass ich nichts gefrühstückt hätte.

Dann ging es weiter mit dem Englischtest: Sie gab mir ein Blatt Papier mit drei Sätzen und bat mich Satz Nr. 2 zu lesen: „What is the largest state of the US?“ Das konnte ich nun wirklich fehlerfrei lesen! Der zweite Teil des Englischtests bestand aus einem „Diktat:“ „Alaska is the largest state” diktierte sie, und mit einem Seufzer der Erleichterung schrieb ich den Satz auf. „Ist das hier Ihr “r”?“ fragte sie mit einem Blick auf mein Geschreibsel. Nachdem ich ihr versichert hatte, dass es sich bei diesem Haken tatsächlich um ein echtes „r“ handelte, schwatzten wir über Grundschulen und Handschriften.

Die Fragen zum Aufbau der Regierung, zur Geschichte etc. waren denkbar einfach und genau so gestellt wie in jenem Learning about the US - Büchlein.
Nachdem ich ihr Frage Nr. 6 „What ocean is on the West Coast of the US?“ mit “the Pacific Ocean” beantwortet hatte, tauschten wir unsere Vorliebe für den Pazifik und unsere Abneigung gegen die Wüste aus.

Dann ging sie durch meinen Antrag durch und kopierte das eine oder andere Dokument, das ich mitgebracht wie z.B. alles rund um meinen Strafzettel, den ich im letzten Jahr wegen Zuschnell-Fahrens erhalten hatte. (Letzteres nicht ohne mir vom letzten Strafzettel ihres Mannes zu erzählen).

Ein Teil der Fragen auf dem Monate zuvor eingereichten Formular betraf meinen „good moral character.“ Gefragt wurde da z.B. „Sind Sie ein Trinker?“ „Haben Sie jemals als Prostituierte gearbeitet?“ „Sind Sie spielsüchtig?“
Wahrheitsgemäß hatte ich alles natürlich mit „nein“ beantwortet.

Interessanterweise ging meine Beamtin nun diese Fragen nochmals mit mir durch. Allerdings wohl mehr wegen bestimmten Vorschriften, denen sie Folge leisten mußte. Denn mein Charakter schien nicht wirklich zur Debatte zu stehen: Hinter diesen „good moral character“ – Fragen fügte sie mit einem Rotstift das Häkchen hinzu, noch bevor ich mit einem entsprechenden „nein“ antworten konnte.

Alles in allem war ich eine Stunde lang in ihrem Büro. Die Zeit verflog sehr schnell.

Am Ende gratulierte sie mir zum bestandenen Interiew und geleitete mich hinaus. Mit einem breiten Grinsen trat ich zurück in den Warteraum, wo mein Mann erleichtert aufschaute.

Damit war ich allerdings immer noch nicht Staatsbürgerin!

Fortsetzung folgt . . .

Freitag, 27. September 2013

Auf dem Wege zur amerikanischen Staatsbürgerschaft: Teil 1

Vor ein paar Monaten war es nun endlich soweit! Nach über zwölf Jahren in den USA fühlte ich mich bereit, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen. 
Anfang Juni hatte ich dann das entsprechende Formular ausgefüllt und abgeschicht. 

Schon ungefähr zwei Wochen später flatterte die Benachrichtigung in den Briefkasten mit Angaben, wann und wo ich zur Fingerabdruckprozedur zu erscheinen hatte.

Laut dieser Benachrichtigung  sollte ich um 9 Uhr beim "Application Support Center" in El Paso auftauchen. Das Schreiben machte mich außerdem darauf aufmerksam, dass ich keine Begleitperson mitbringen dürfe - "wegen mangelnden Sitzgelegenheiten." (Und Handys, Fotoapparate, etc. seien auch nicht erlaubt.)

Also stand ich in aller Herrgottsfrühe auf und machte mich um 6:30 auf den Weg, da ich mit Morgenstaus rechnete. Nun ist El Paso allerdings doch wohl nicht ganz so schlimm wie Mannheim/Heidelberg. Ich segelte ohne Stau durch Downtown El Paso, kam um 8:30 an und stellte mit Erstaunen fest, dass etliche schon vor mir angekommen waren und draußen warteten. Ich hatte erwartet, dass das so ähnlich wie in einer Arztpraxis zugehen würde: Jeder/jede hat seinen/ihren eigenen Termin.

Als ich aus dem Auto ausgestiegen und allen Paperkram zusammengesucht hatte, war die Eingangstür auch schon geöffnet worden. Ich betrat das Gebäude und ein mürrischer Beamte gab mir ein Formular, wies auf das Drehregal mit den Schreibunterlagen und gab mir einen Stift. Ich bedankte mich artig und nahm Platz, um den Wisch auszufüllen. Gefragt wurde nach dem Namen, Telefonnummer, Größe, Gewicht, Augenfarbe, Haarfarbe usw. Beim Überreichen des ausgefüllten Bogens machte ich Mr. Mürrisch darauf aufmerksam, dass ich beim besten Willen nicht wüßte, was meine "Antragsnummer" wäre. Da lächelte er endlich und sagte väterlich, dass er das für mich ausfüllen würde. Gesagt getan.

Nach einem Blick auf mein mitgebrachtes Anschreiben, meiner Greencard und meinem nun vollständig ausgefüllten Formular, fragte er mich dann nach meinem Mädchennamen. 
"It's the same as my current name" („Der ist derselbe wie mein derzeitiger Name.“) Eine leichte Furche bildete sich auf seiner Stirn. „Ich habe meinen Namen behalten,“ fügte ich hinzu in der Hoffnung, dass diese Angelegenheit damit geklärt sei. War sie auch; er nickte, gab mir das "Learn About the United States" - Heft und fügte hinzu: „Wir rufen Sie unter dem Buchstaben V auf."

Also setzte ich mich wieder auf einen Stuhl. Der Fernseher mit einem Programm über den Einbürgerungsprozeß war zu weit im vorderen Teil des Raumes, als dass ich es hätte verfolgen können. Es herrschte eine eigenartige Stimmung in diesem Warteraum: Keiner von denen mit den Buchstaben von A bis U (also um die 20) sprach.

Punkt 9 Uhr öffnete sich eine Seitentür, eine nette Dame kam heraus und gab präzise Anweisungen, wo welche Buchstabengruppe sich im Raum nebenan hinsetzen solle. Schweigsam nahm jeder und jede Platz. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass drei Angestellte - und nicht etwa nur eine - für die Fingerabdruckprozedur zuständig waren, jede an ihrer eigenen "work station." „Legen Sie bitte Ihre Ohrringe ab," kam dann von einer der Frauen.

Verdutzt wandte ich mich zu meiner rechten Sitznachbarin. "Warum das denn?"
„Wir werden fotografiert," antwortete sie, mürrischer als Mr. Dann-Doch-Nicht-Mehr-So-Mürrisch. Also nahm ich meine Klunker vom den Ohren und faßte mich in Geduld. Mit meinem "V" konnte ich schließlich nicht auf ein baldiges Verlassen des Gebäudes hoffen.

Mir fiel auf, dass alle außer mir "Hispanics" waren; auch die drei Assistentinnen fühlten sich offensichtlich mit Spanisch wohler als mit Englisch. Der junge Typ zu meiner linken hatte einen mexikanischen Pass in seinem Schoß und lächelte mich ein paar mal verlegen an. Wir alle beobachteten unsere Vorgänger, um uns einen Eindruck davon zu verschaffen, was uns erwartete. Und das war dann wirklich nichts schlimmes.

Als ich endlich an die Reihe kam (als Vorletzte; das "W" war ein paar Minuten nach mir erschienen), wurde ich gebeten, auf einem Stuhl seitlich der Fingerabdruckstation Platz zu nehmen, während die junge Angestellte Daten eingab. Dann winkte sie mich zu sich, nahm ganz sachte meine Finger und legte zuerst die ganze Hand auf eine Glasplatte, dann jeden einzelnen Finger. Die Maschine biepte und die Abdrücke erschienen auf einem Bildschirm. „Machen Sie das den ganzen Tag lang?" fragte ich. “Den ganzen Tag lang," antwortete sie. Es entwickelte sich ein kurzes, nettes Gespräch über ihren Arbeitsplatz. Ich erfuhr, dass sie gerne eine andere Stelle hätte, „aber es gibt hier in El Paso keine Arbeit.“ Sie bat mich, wieder auf dem Stuhl Platz zu nehmen, da sie nun ein Foto von mir machen müßte. Wir scherzten, ob ich lächeln dürfe oder nicht. „Sie können lächeln. Sie dürfen nur nicht Ihre Zähne zeigen.“
Schließlich gab sie mir meine Greencard zurück, samt dem ursprünglihen Anschreiben mit ihren Initialen als Beleg und eine gelbe Karte: Customer Satisfaction Survey (Umfrage zur Kundenzufriedenheit).

Ich nahm nochmals kurz im ersten Warteraum Platz und kreutzte „gut" zu allen Fragen an. „Ausgezeichnet" wäre doch übertrieben gewesen! Es hätte allerdings auch schlimmer sein können. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ ich die Karte dann durch einen Schlitz in die dafür bereitgestellte Box fallen und trat hinaus.
Der hier ewig blaue Himmel und 39° Grad im nicht vorhandenen Schatten begrüßten mich.



Freitag, 13. September 2013

Regen!

Alles ist hier so ziemlich extrem: eine äußerst unfreundliche Vegetation, krabbelnde, kriechende oder springende Tiere, mit denen man besser nicht in Kontakt kommt, Hitze, Sandstürme und natürlich ein eklatanter Mangel an Regen. Letzterer trägt zu einer Trockenheit bei, die den Bauern Existenzängste einjagt und die Stadtväter und - mütter eine Verordnung herausgeben läßt, derzufolge man nur zu bestimmten Zeiten die Pflanzenwelt bewässern darf.

In diesem Jahr nun regenet es. Nicht nur - wie in all den Jahren zuvor - ein paar Tröpfchen hier und da, und das nur an zehn Tagen im gesamten Jahr!
Nein, in der diesjährigen Regenzeit gießt es! Tagelang! Im Radio kündigte man heute morgen sogar Evakuierungen aus Gebieten an, die von Überschwemmung bedroht sind! Und das in der Wüste!

Es folgen ein paar Fotos aus der Stadt und Umgebung, die ich heute morgen aufgenommen habe.


Die Stadt hat aus Kostengründen und aus Mangel an Regen keine Kanalisation. Sobald dann Mutter Natur beschließt, etwas mehr als die übliche Portion auf Deming auszuschütten, stehen viele Straßen unter Wasser.



Es sind gut zehn Jahre her, seit ich von der Brücke über den Mimbres River auf der Bundesstraße 377 Wasser gesehen habe. Der Fluß fließt hier unterirdisch, und nur bei besonders starkem Regenfall schwellt er dermaßen an, dass er auch über der Erde sichtbar wird.



Die Kreuzung von der Bundesstraße 377 und der Lewis Flats Road ist unter Wasser, zur Freude meines Smokey.



Auf der Lewis Flats Road!



Die Wolken hängen tief über den eh schon niedrigen Little Florida Mountains. 



Wie kommt es nun zu Überschwemmungen? Das hier ist kein ausgetrocknetes Bachbed, sondern ein "Arroyo." Wenn es z. B. in der Gila Wildernis im Norden von Deming ordentlich regnet und die Wassermassen vom steinharten Boden nicht mehr aufgenommen werden können, sucht sich das Wasser von selbst einen Weg nach unten. Über die Jahrhunderte nun haben sich diese Arroyos gebildet, mehr oder weniger tiefe Furchen im Erdboden, in denen das Regenwasser herunterrauscht. 

Je nach Intensität und Dauer des Regens können sich "flash floods" bilden, während denen innerhalb von Sekunden oder auch weniger Stunden eine meterhohe Wasserfront herunterdonnert, die alles mit sich reißt. 

Das ist ein anderes, schmäleres "Arroyo" auf der Straße zum Rockhound State Park. An seiner Tiefe kann man sich die Kraft des Wassers vorstellen.



Man sollte also zur Regenzeit Schilder wie dieses ernst nehmen:


Falls man sich auf einer Straße befindet, die ein Arroyo durchquert, also einen "dip" macht, ist man gut beraten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und die vor einem liegende Vertiefung nach Wasser abzusuchen. Falls zuviel Wasser über die Straße fließt, wartet man besser oder kehrt um!