Ungefähr vier
Wochen nach der Fingerabdruckprozedur (s. letzter Blogeintrag) erhielt ich von
der Einwanderungsbehörde das Anschreiben mit dem Interviewtermin in El Paso.
Ich wußte, dass ich
einen Englischtest bestehen mußte, dass aus einem Pool von 100 Fragen zum
Regierungsaufbau, zur Geschichte und Geographie des Landes zehn Fragen gestellt
werden, und dass ich mindestens sechs davon richtig beantworten mußte.
Vorbereitungsmaterial
gab es genug. Von der Webseite der „US Citizen and Immigration Services“ (kurz
USCIS, die offizielle Bezeichnung der Einwanderungsbehörde) konnte man sich eine PDF - Datei herunterladen und ein kurzes Video über den Ablauf des Interviews
ansehen. Am hilfreichsten fand ich das „Learning About the United States“ –
Heft, das ich bei meinem Fingerabdrucktermin erhalten hatte (s. letzter
Blogeintrag).
Schwierig waren
diese Fragen nun wirklich nicht: „Welcher Ozean liegt im Westen der USA?“ „Wer lebte in Amerika vor der Ankunft der
Europäer?“ „An welchem Tag feiert die USA ihre Unabhängigkeit?“
Mein Termin war
um 9 Uhr; laut Anschreiben sollte ich allerdings eine halbe Stunde vorher
erscheinen. In der Nacht zuvor hatte ich vor lauter Aufregung kaum ein Auge zugemacht.
Völlig übermüdet packte ich mich also am nächsten Morgen um 6 Uhr ins Auto und
nahm zur seelischen Unterstützung meinen Mann mit. Und los gings. Der dichte
Morgenverkehr half, mich vom Bevorstehenden abzulenken.
Punkt 8:30 Uhr kamen
wir an. „Tief ein- und ausatmen!“ befahl ich mir, klemmte die Brieftasche mit
den angeforderten Dokumenten unterm Arm, betrat das Gebäude und konnte es kaum
fassen, dass der Sicherheitsbeamte am Eingang uns - freundlich
entgegenlächelte.
Nachdem ich ihm
das USCIS - Anschreiben überreicht hatte, unsere Taschen vom Laufband ins
Innere befördert und wir ohne Alarm auszulösen durch die Schleuse getreten waren,
deutete der Beamte auf einen kleineren Warteraum hinter jener großen, direkt
vor uns befindlichen Wartehalle, an die ich denkbar schlechte Erinnerungen
hatte.
Vor vielen Jahren
mußte ich im selben Gebäude persönlich einen Antrag auf eine Ersatz-Greencard
stellen. (INS, wie die Behörde sich damals nannte, hatte meine erste Greencard
auf „Monica“ ausgestellt anstelle auf „Monika,“ was diese Karte ungültig
gemacht hatte!) Damals war jene große Wartehalle vollbesetzt, und mehrere
Sicherheitsbeamte umkreisten die dort Sitzenden, als hätten sie es mit Schwerverbrechern
zu tun. Ich mußte über vier Stunden warten, und, da ich kaum etwas gegessen
hatte, wurde mir schlecht und zittrig.
Diesmal
allerdings war jene Halle fast menschenleer, und wir nahmen in der angewiesenen
kleineren Wartehalle Platz. Mein Mann durfte ohne Weiteres mit. (Bei meinem
oben erwähnten früheren Besuch war er auf sehr unfreundliche Weise
hinausgebeten worden.) Der allgegenwärtige Fernseher lief. Kaum jemand sprach.
Ich war die einzige Europäerin. Die schick gekleidete Latina auf dem Stuhl vor
mir war mit ihrer Anwältin da. Einige hatten das Learning about the US-Büchlein
auf den Knien und versuchten, in letzter Minute sich die Antworten einzuprägen.
Jedesmal wenn die
Seitentür aufging und der eine oder die andere Beamtin heraustrat, um jemanden
aufzurufen, blickten wir Wartenden erwartungsvoll auf. Einige Beamte schauten netter
aus als andere. Manchmal ging die Tür auf, nur um jemanden herauszulassen. Wir
noch Sitzenden studierten dann die Gesichter: Ist da ein erleichtertes Lächeln?
Warum schaut denn der so ernst aus? Was bedeutet das denn?
Die Wartezeit zog
sich hin wie Kaugummi. Nach ungefähr 30 Minuten hatte ich wohl alle an diesem
Morgen Dienst habenden Beamten kurz erspäht. „Den oder die hätte ich gern,“
dachte ich bei so manchem Gesicht. „Den bulliger Typ hier lieber nicht!“ Ein
dünner, hellhäutiger Beamte brachte uns dann alle zum Lächeln. „A whole
bunch of nervous faces this morning!” rief er irgendwann aus.
„Meine“ Beamtin
war dann eine meiner „Wunschkandidatinnen!“ Mit einem breiten Lächeln gab sie
mir die Hand und bat mich, ihr zu folgen. In ihrem Büro angelangt, stellte sie
sich mit ihrem Namen vor. Ihr folgendes „How are you?“ beantwortete ich
ehrlich: “Ich bin nervös.“ „Nein! Sie haben überhaupt keinen Grund, nervös zu sein! Wir hatten einige Fälle
heute morgen, die waren . . . “ Sie machte eine entsprechende Handbewegung und ließ den Satz
unbeendet. „But everything will be fine with you.“
Alle Nervosität
war mit einem Schlag verschwunden. Es ist schon erstaunlich, was Worte
ausmachen können!
Nachdem ich den
Schwur abgeleistet hatte, nichts als die reine Wahrheit zu sagen, bat sie mich,
Platz zu nehmen und wies auf die Süßigkeiten in einer Schale auf ihrem
Schreibtisch hin, für den Fall, dass ich nichts gefrühstückt hätte.
Dann ging es
weiter mit dem Englischtest: Sie gab mir ein Blatt Papier mit drei Sätzen und
bat mich Satz Nr. 2 zu lesen: „What is the largest state of the US?“ Das konnte
ich nun wirklich fehlerfrei lesen! Der zweite Teil des Englischtests bestand
aus einem „Diktat:“ „Alaska is the largest state” diktierte sie, und mit einem
Seufzer der Erleichterung schrieb ich den Satz auf. „Ist das hier Ihr “r”?“
fragte sie mit einem Blick auf mein Geschreibsel. Nachdem ich ihr versichert
hatte, dass es sich bei diesem Haken tatsächlich um ein echtes „r“ handelte,
schwatzten wir über Grundschulen und Handschriften.
Die Fragen zum
Aufbau der Regierung, zur Geschichte etc. waren denkbar einfach und genau so
gestellt wie in jenem Learning about the US - Büchlein.
Nachdem ich ihr Frage
Nr. 6 „What ocean is on the West Coast of the US?“ mit “the Pacific Ocean”
beantwortet hatte, tauschten wir unsere Vorliebe für den Pazifik und unsere
Abneigung gegen die Wüste aus.
Dann ging sie
durch meinen Antrag durch und kopierte das eine oder andere Dokument, das ich
mitgebracht wie z.B. alles rund um meinen Strafzettel, den ich im letzten Jahr
wegen Zuschnell-Fahrens erhalten hatte. (Letzteres nicht ohne mir vom letzten
Strafzettel ihres Mannes zu erzählen).
Ein Teil der
Fragen auf dem Monate zuvor eingereichten Formular betraf meinen „good moral
character.“ Gefragt wurde da z.B. „Sind Sie ein Trinker?“ „Haben Sie jemals als
Prostituierte gearbeitet?“ „Sind Sie spielsüchtig?“
Wahrheitsgemäß
hatte ich alles natürlich mit „nein“ beantwortet.
Interessanterweise
ging meine Beamtin nun diese Fragen nochmals mit mir durch. Allerdings wohl
mehr wegen bestimmten Vorschriften, denen sie Folge leisten mußte. Denn mein
Charakter schien nicht wirklich zur Debatte zu stehen: Hinter diesen „good
moral character“ – Fragen fügte sie mit einem Rotstift das Häkchen hinzu, noch
bevor ich mit einem entsprechenden „nein“ antworten konnte.
Alles in allem
war ich eine Stunde lang in ihrem Büro. Die Zeit verflog sehr schnell.
Am Ende
gratulierte sie mir zum bestandenen Interiew und geleitete mich hinaus. Mit
einem breiten Grinsen trat ich zurück in den Warteraum, wo mein Mann
erleichtert aufschaute.
Damit war ich
allerdings immer noch nicht Staatsbürgerin!
Fortsetzung folgt
. . .